Der gestrige Abschied von Aix war uns allen etwas schwer gefallen. Morgens hatte nach einigen Tagen wechselhaften Wetters die Sonne wieder strahlend vom blauen Himmel geschienen, das Städtchen in güldenes Licht getaucht und wunderherrlichstes Wanderwetter gezaubert. Da hatte sich Frau Komoot nur leidlich amused gezeigt, dass sie eine viereinhalbstündige Naherfahrung mit einem runtergeranzten Flixbus nach Lyon machen sollte und auch Schweinehund hätte sich Schweinehund-Tauglicheres vorstellen können (jaja, mit Freund Netflix aufm Sofa abhängen, das kennen wir schon!). Auch mir selbst waren Städtchen, Appartement sowie Cézanne und sein Berg wärmstens ans Herz gewachsen, aber der Bruder hatte Geschäftliches in Lyon zu erledigen und ein Treffen daselbst vorgeschlagen. Warum also nicht Lyon?
Lyon, Lyon, Lyon … so dachte ich gestern noch … wer oder was ist doch gleich in Lyon? Fußball: Olympique… äh, Marseille!? Ah, no! Olympique Lyon gibt es auch. Derzeit auf dem fünften Platz der französischen Liga, in der Champions League gegen Turin erfolgreich, aber just diese Woche mit ner 1:5-Klatsche gegen Paris aus dem Pokal ausgeschieden. Oder wie mein Bruder beliebte zu scherzen: Was haben Lyon und Bremen gemeinsam?
Einmal, so erinnerte ich mich, habe ich auf der Durchreise eine meiner Nichten in Lyon am Bahnhof eingesammelt. Es regnete in Strömen … Mon dieu!!
Lyon … Freundin Susanne wusste noch zu berichten, die Stadt sei eine Gourmet-Hochburg … Aber sonst war Lyon ein unbeschriebenes Blatt – bis heute Morgen, denn da startete unsere Stadtwanderung durch Lyon:
Schnell wurde klar: Die Lyoner (oder Lyonesen?) haben ein Problem. Es fehlen ihnen und ihrer Stadt nämlich die Wahrzeichen, die Sightseeing-Highlights, die Touristenmagnete a la Eiffelturm und Co. Zwar gibt es einen Blumenbaum hier, ein Sonnenkönig-Ludwig-Standbild da und auch eine durchaus hübsche Basilika aufm Berg, aber in die Top 200 der europäischen Insta(gramm)-Hotspots hat es hier wohl noch nix und niemand geschafft.
Zwar gibt sich das Tourismus-Department der Stadt wirklich allergrößte Mühe – mit dem Slogan OnlyLyon (was für ein Buchstabenspiel!) gibt man sich weltoffen und bescheiden zugleich – und 2019 gab‘s sogar den European Capital of Smart Tourismus-Bembel der Europäischen Union. Gleichzeitig hätten zum Beispiel Antoine de Saint-Exupéry, der 1900 in Lyon geboren wurde, und sein kleiner Prinz deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient. Außer einer (für Autor und Werk sehr passenden) Skulptur und einer Plakette am Geburtshaus gibt es nichts Offizielles, so dass weitere Maßnahmen zur Huldigung des Autors (und Piloten) eher Guerilla-Aktionen gleichen – und auch ein Straßenkampf um die Benennung der Straße, in der das Geburtshaus liegt, scheint zu toben. 😉
Auf unserem weiteren Weg durch die Altstadt begegnete uns vielfach ein weiteres Lyoner Original, nämlich Guignol, der französische Kasperl, der von einem Lyoner Arbeiter erfunden wurde und seitdem allerorten durch die Gassen tobt. Eine Menge (wahrscheinlich eher zweit- bis drittklassiger) Puppenspiel-Keller gehen auf seine Kosten (die haben wir uns erspart) und auch das Puppen- bzw. Marionettenmuseum (das nicht).
Da auch das Wetter eher drittklassig war (regnerisch und zwischendurch ziemlich kalt), gönnten wir Frau Komoot ein Päuschen und vergnügten uns mit Schweinehund an den (wahrscheinlich eher für Kinder gedachten) interaktiven Puppenspiel-Museumsangeboten. Also, WIR hatten unseren Spaß!
Im Übrigen war das Museum eine konzeptlos-wilde Ansammlung von Dingen, die irgendwie-irgendwas mit Puppen (oder so) zu tun haben oder irgendwann mal hatten. Ausstellungskonzeption: Fehlanzeige! Roter Faden: No! Museumspädagogik: Ääähhh…?!
Das Gleiche galt später für das Kino- und Miniaturen-Museum. Einzelheiten würde ich uns allen gerne ersparen … jedoch die Miniaturen hatten was. Es gibt doch tatsächlich Menschen, die sich tage-, wochen-, monatelang damit beschäftigen, in Schukarton-großen Schaukästen alltägliche Szenen en miniature nachzubauen. Die Ergebnisse wirken fotografiert sensationell realistisch, wie die folgenden Bilder beweisen.
Sonst war – zumindest heute – nicht viel los mit Lyon. Ja, die Altstadt recht hübsch, die Basilika – gegen Abend besucht – macht was her, der Blick vom Basilika-Berg schon wieder eher nicht mit einer undefinierten Lyon-Nicht-Skyline.
Ein weiterer Sohn der Stadt, Paul Bocuse, der Begründer der Nouvelle Cuisine, ist vielleicht noch nicht lange genug tot, um historische Bedeutung erlangt zu haben. Sein Erbe jedoch sind un-zäh-li-ge-und-ich-mei-ne-un-zäh-li-ge Gourmet-und-solche-die-sich-dafür-halten-Tempel im erweiterten Stadtkern. Unfassbar! Leider sind ziemlich viele davon Samstagabends ziemlich ausgebucht, so dass es schon eine kurzfristige Absage brauchte, um Platz für uns zu schaffen.
Deswegen geht der heutige Bembel an drei unbekannte Franzosen, die (aus hoffentlich wenig schwerwiegenden Gründen) einen Tisch in einem mediterranen Genusstempel absagten, zwei Minuten bevor wir bärenhungrig daherspaziert kamen. Lecker war‘s!





































