Clemens V.

Eigentlich wollte ich mich ab Dienstag in Avignon einmieten. Aber da ich noch nicht weiß, wie es mit der Reisegesellschaft in naher Zukunft überhaupt weitergeht und ich außerdem wenigstens oberflächlich klären wollte, ob sich das überhaupt lohnt, packte ich heute Morgen das Dascherl und fuhr hin. Von Arles aus 19 Minuten mit dem Zug. Frau Komoot protokollierte dann knappe 9 Kilometer Stadtwanderung – oder wie die freundliche Dame von der Turist-Info empfahl: „Papst-Tour“ und „Tour durch alte Gassen“.

Madame sprach außerdem gut Deutsch und so erfuhr ich bei einer Plauderei, dass die provenzalische Menschenleere (wir alle hatten es schon vermutet) mitnichten nur mit dem Anfang der Saison zu tun hat, sondern auch mit dem bösen Virus. Als ich heute um 12 Uhr dort in die Info kam, war ich das zehnte Menschlein, wo es sonst um diese Jahres- und Uhrzeit schon mehrere hundert sind. Ansonsten sind anscheinend alle größeren Veranstaltungen, Konzerte etc. abgesagt, und viele Restaurants und Läden hatten auch in Avignon geschlossen.

Und so war‘s denn auch in den Gassen und bei den Päpsten unangenehm angenehm leer. Einerseits ist es natürlich nett, nicht ständig Touristen-Horden im Bild zu haben und nirgendsnicht lange anzustehen. Andererseits wird es langsam aber auch wirklichwirklich befremdlich, so vereinzelt durch die Gassen zu wandern. Die wenigen Mitstreiter, die man trifft, fangen schon an, wissend-verschwörerisch Kontakt zu suchen und Schweinehund übers Fell zu streichen (mag der GAR nicht!), so als gehöre man zu einer vertraulichen Gemeinschaft. Brrr! Ich glaub, ich mag das auch GAR nicht.

Vom Bahnhof aus wanderte ich in gerader Linie erst einmal zu einem Aussichtspunkt und warf einen Blick über Land gen Norden. Dort lungerten ein paar alte Bekannte: mal wieder die Rhone, der Mont Ventoux und auch eine Brücke – nein, nicht eine Brücke, sondern DIE Brücke: Su le Pont d‘Avignon … wie es im Lied heißt … da mussten wir hin!

Sie nimmt sich bezaubernd aus da an der Rhone, und praktischerweise geht sie nicht ganz rüber übern Fluss, so dass man beim Tanzen niemandem im Wege ist. Frau Komoot und Schweinehund legten eine flotte Polka aufs Brückenparkett und ich ließ derweil eine Flaschenpost zu Wasser …

Weiter ging es zum päpstlichen Palast – auch ein UNESCO-Welterbe. Und das, liebe Leute, ist wirklich beeindruckend!
Kurz zum historischen Kontext (für die historisch nicht so Bewanderten, die sich vielleicht wundern über Päpste … in Avignon?): Um 1300 rum gab‘s mal wieder Querelen bei der Papstwahl und weil die Franzosen viel Einfluss hatten, haben sie einen der ihren gewählt. Clemens V. erschien zur Krönung gar nicht erst in Rom, sondern ließ sich in Lyon krönen und blieb hernach (aus gesundheitlichen Gründen – wer‘s glaubt!) in Südfrankreich. Da es dort jedoch keinerlei standesgemäße Papstgemächer gab (so ein Papst bezieht ja auch nicht jede Butze!), machte man Avignon kurzerhand zur Großbaustelle und errichtete einen Palast. Das dauerte natürlich (Rom wurde ja auch nicht an einem Tag undsoweiter, haha!) und erst Jahre, Jahrzehnte und einige Päpste später war das Ding fertig. Aber: Es hat sich gelohnt!
(Zwischendurch war es – natürlich – eine Frau, die Avignon für lächerliche 80.000 Gulden an den Kirchenstaat verkaufte. Tststs…)

An dieser Stelle muss ich leider meine Berichterstattung vorerst unterbrechen und den Rest meiner Avignonschen Erlebnisse in einem Nachtrag liefern. Ich muss morgen früh raus!

Der Bembel? Ich würde Papst Clemens V. vorschlagen. Ohne ihn und seine antirömische Ignoranz hätten wir heute keinen Papstpalast in Avignon und vielleicht noch nicht einmal eine Brücke – aber das weiß ich nicht so genau…

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