Um es vorweg zu nehmen: Ich sitze im TGV auf der Fahrt nach Stuttgart. Gestern um Mitternacht mussten in Frankreich alle Restaurants, Bars, Museen, Läden etc. bis auf Weiteres schließen, und bevor auch noch eine Ausgangssperre verhängt wird (wie in Spanien), mach ich lieber, dass ich nach Haus (oder wenigstens nach Stuttgart zur Familie) komme.
Nun aber nochmal zurück zu den Päpsten. (So ein Virus entbindet ja nicht gänzlich von allen selbst auferlegten Bloggerinnen-Verpflichtungen ;-))
Ich stand also vorgestern vor dem doch ziemlich eindrucksvollen (weil großen und vor allem sehr hoch aufragenden) Papstpalast in Avignon. Und weil ich nicht wusste, ob und wann ich nochmal wiederkommen würde undoder in virusarmen Zeiten gegebenenfalls stundenlange Wartezeiten in Kauf nehmen müsste, entschied ich mich für eine Begehung der päpstlichen Gemächer. Nach der Ticket- und Sicherheitskontrolle wurde mir ein mit heiligen Wassern gewaschenes (sprich: frisch desinfiziertes) Papsttour-Pad überreicht und los gings!
Nachdem ich mich in der Handhabung des Pads erst mal zurechtgefunden hatte – gaaanz intuitiv, wie der Bruder immer sagt – konnte ich mir in den jeweiligen Räumen ansehen, wie das wohl zu Papstzeiten alles mal ausgesehen haben mag. Die Gegenüberstellung der heutigen (ausstattungstechnisch) sehr schlichten Räume und der damaligen Pracht war faszinierend!
Die audiovisuellen Zeitreisen in jedem Raum illustrieren aufs Schönste das damalige Leben auf der Papst-Burg, zeigen jedoch auch, dass es damals – wenn überhaupt – nur am Rande um geistliche Weltenrettung ging, dafür umso mehr um weltlichen Genuss und die Anhäufung ebensolcher Güter. Sehr anschaulich das Beispiel der päpstlichen Schatzkammer, deren geheimgeheimen Geheimverstecke wohl erst in den 1980er Jahren entdeckt wurden: mehrere Steinquader gefüllt mit Goldbarren und Edelsteinen!
Und wenn man sich – wie Freundin Susanne sagen würde – die Merchandising-Area so anschaut, geht es heute um nichts wesentlich Anderes. Es gab alles, was das vom päpstlichen Odem ergriffene Herz begehrt: Marmeladen und Schokoladen, Madonnenbildchen und päpstliche Fliesen, Wappen und Münzen sowie Schwerter und Armbrüste, um die christliche Nächstenliebe zu fördern.
Ich beschloss, den vorgestrigen Tag in Avignon mit einem Gang durch die recht einsamen Altstadt-Gassen und einer kleinen Sahneschnitte in einem der wenigen geöffneten Cafés ausklingen zu lassen. Aber Sahneschnitte essen ist derzeit auch nicht mehr das, was es mal war …
Gestern nun – und dafür musste ich recht früh aus den Federn (ja, auch der arme alte Schweinehund) – fuhr ich nochmals nach Aix, um an einem Outdoor-Tai-Chi-Workshop teilzunehmen, den der Lebensgefährte meiner Freundin Julia gab. Dort auf dem Land in der Nähe von Aix in der Sonne zwischen den Olivenbäumen war die Welt für kurze Zeit wieder in Ordnung – wenn man mal davon absieht, dass der französische Gesundheitsminister gestern nur noch Kurse bis 10 Personen (und ohne Partnerübungen) erlaubt hat. Aber das ist heute sicherlich auch schon wieder anders…
Nachmittags fuhren wir mit dem Auto (auch mal ganz nett) zu den Carrières de Lumières, einem ehemaligen Steinbruch, in dem mittels Projektionen wechselnde Licht- und Bilderwelten bekannter Künstlerinnen und Künstler erschaffen werden. Derzeit haben sie Dali am Wickel, und da der nicht unbedingt mein großer Liebling ist, war ich nicht böse, dass es keine Tickets mehr gab. Die hatten nämlich die Besucherzahlen schon auf 100 pro Tag begrenzt und den direkten Ticketverkauf eingestellt. Heute dann haben sie ganz dicht gemacht.
Wir nutzten stattdessen die Möglichkeit, das in direkter provenzalischer Hügelland-Umgebung liegende Dorf Baux-de-Provence inklusive Burgruine zu erkunden, was rückblickend bei dem sensationellen Wetter die bessere Wahl war. Das Dorf soll eines der schönsten Frankreichs sein und die Burg ist riesig, wenn auch deutlich weniger vollständig als sagen wir der Papstpalast. Schweinehund hat besonders der mittelalterliche Taubenschlag gefallen, seinerzeit Heimat einer beträchtlichen Menge mittelalterlicher Brief- und Ich-schmeck-lecker-Tauben – eine einsame übriggebliebene saß da noch auf der Stange.
Der Ausblick – es sollte vorerst mein letzter sein – war wieder einmal überragend, und wie zum Abschied lugte auch Cézannes Berg nochmals am Horizont hervor.
Die beiden Lieben fuhren mich anschließend nach Arles, wo wir in einem der wenigen geöffneten Restaurants einen Happen aßen. Dort erfuhren wir auch von der Schließung aller Restaurants, Läden, Museen und öffentlicher Orte um Mitternacht.
Mit dieser Nachricht war der Virus nun auch bei mir vollständig angekommen und meine sonnig-provenzalische Sabbat-Halbjahr-Welt erst einmal zerbrochen. Die Entscheidung, mit der ich seit Tagen gerungen hatte, war nun innerhalb von Sekunden gefällt: Ich würde mein Abenteuer erst einmal unterbrechen und nach Hause bzw. nach Stuttgart (zu meinen Eltern und meiner Schwester) fahren.
Der Abend war sehr tränenreich. Wohl, weil mir gestern Abend erst so richtigrichtig bewusst wurde, welche Freiheit ich eigentlich hatte (auch wenn es manchmal schwer war, mit ihr umzugehen) und dann kommt da so ein dahergelaufener Virus und schränkt sie ein. Da bin ich jetzt einfach mal traurig!
Außerdem wurde mir bewusst, wie sehr mir in den letzten sechs Wochen Schweinehund und Frau Komoot ans Herz gewachsen sind. Es wäre bestimmt hübsch gewesen, mit den beiden noch länger durch die Welt zu gondeln und an der einen oder anderen Stelle einfach loszuwandern – vielleicht sogar im Westerwald!
Aus diesem gegebenen Anlass ist der vorerst letzte Bembel ein doppelter und geht an Schweinehund und Frau Komoot für ihre treue und umsichtige Begleitung in den letzten Wochen. Es war mir eine große Freude!

















