Was für ein Tag! Schon beim Aufwachen war klar: Das wird einer DER Tage, deretwegen man das alles macht. Ich hatte vorzüglich geschlafen in meinem Idsteiner Bettchen (was vielleicht am Bett, vielleicht an der Ente, wahrscheinlicher jedoch am Rotwein des gestrigen Abends lag), das Wetter war herrlich (Kaiserwetter!) und die Füßchen liefen wie geschmiert.
Zwar waren nur 15 Kilometer bis Glashütten im Hochtaunus geplant, aber ich liebäugelte damit, anschließend noch eben mit leichtem Gepäck auf den Großen Feldberg zu spurten. Und das tat ich dann auch. Insgesamt 27 Kilometer.

Pünktlich zum Frühstück hatten sich mal wieder die Hygiene-Vorschriften geändert. Seit heute muss man in Hotels und Restaurants in Hessen keine Maske mehr tragen. Gleichzeitig darf man sich jedoch nicht selbst am Frühstücks-Buffet bedienen. Das übernimmt eine junge Dame, die zwar eine Maske trägt, aber keine Handschuhe und auch nicht zimperlich ist, neben den Teller gefallene Gurkenscheiben noch mal eben mit den bloßen Fingern neben das Brötchen zu werfen. Aber sonst war alles fein im Hotel Sonne zu Idstein!
Idstein. Perle des Taunus. Fachwerk-Kleinod der Extraklasse. Liebe Gemeinde, wer da mal vorbeikommt, möge sich unbedingt die hübsche kleine Altstadt ansehen. Das ist wirklich entzückend! Ich war derart beschwingt von diesem ersten Highlight des Tages, dass ich die ersten fünf Kilometer der Etappe gar nicht richtig mitbekommen habe.
Und dann wartete Frau Komoot auch schon mit dem nächsten Highlight auf: Der erste nähere Blick auf den Großen Feldberg (von Berghausen aus hatte ich ihn im Dunst auch schon gesehen). Der Große Feldberg – so habe ich heute gelernt – heißt nicht etwa aufgrund hessischen Größenwahns so, auch nicht zur Unterscheidung vom Schwarzwälder Feldberg, sondern zur Abgrenzung vom KLEINEN Feldberg, der rechts daneben liegt. Mit seinen 881 Metern ist er die höchste Erhebung des Taunus.
Erst passiert tagelang nicht viel touristisch Verwertbares und die Prärie schnarcht so vor sich hin und dann fällt man auf einmal jeden Kilometer über einen Touri-Hotspot. Das nächste war … der Limes! Wenn ich eines nicht erwartet hätte, dann das. Dazu muss man wissen, dass ich sozusagen im Schatten des Limes (in Aalen) aufgewachsen bin, wo es neben diversen Ausgrabungen ein Limesmuseum und die Limesthermen gibt. Aber das ist eine andere Geschichte…
Der Limes jedenfalls ist – oho! – UNESCO-Welterbe-Stätte und wie wir wissen, fließt da Geld. Und das haben sie dann auch fleißig ausgegeben. Zwar sieht man mit bloßem Auge nicht viel nennenswert Römisches mehr und auch die verschwommenen Wärme(?)kamera-Aufnahmen der Geologen auf den Schautafeln lassen Grundmauern nur erahnen, aber immerhin gibt es die Schautafeln, und zwar zuhauf! Dort wird allerlei Wissenswertes über Bauweise des Limes und römisches Leben am Limes erklärt. Lehrerinnenhaft wollte ich natürlich alles genau lesen, doch Frau Komoot und Schweinehund drängten weiter – wir wollten ja noch auf den Berg klettern!
Immerhin konnte ich Frau Komoot überreden (naja, ich habe sie einfach leise gestellt…), von der eigentlichen Route abzuweichen und den Limes-Erlebnisweg bis Glashütten zu wandern. Und das war eine SEHR gute Idee!
Sie führte uns zunächst an einer Streuobstwiese vorbei – auch hier eine erklärende Tafel (wahrscheinlich mit den UNESCO-Limes-Geldern bezahlt…), und auf der Tafel – yeahh! – ein Bembel!
Liebe Leute, für alle, die es bisher nicht wussten: dieser steinerne Krug ist ein Bembel, ein Äbbelwoi-Bembel (Apfelwein-Krug). Alors: Wir sind angekommen im Äbbelwoi-Bembel-Land Hessen!
(Natürlich verwenden wir auch weiterhin das Wort Bembel in seiner zweiten Bedeutung: Orden für einen besonderen Verdienst).
Die Strecke schlängelte sich durch herrliche Landschaft, die nun im Vergleich zu den letzten Tagen deutlich kleinteiliger und somit abwechslungsreicher war. Ich genehmigte mir ein ausgedehntes Mittagspäuschen auf einer Halbschatten-Bank (endlich geht das mal ohne frieren und nass werden!) und machte nach einem Picknick ein kleines Schläfchen – Schweinehund zu meinen Füßen (sehr zufrieden der Gute dieser Tage).
Danach ging‘s mit noch immer flinken Füßchen nach Glashütten, wo ich gegen halb drei mein Hotelzimmer bezog und einen Großteil des Gepäcks aus dem Rucksack eliminierte. Und weiter ging‘s!
Auch auf den fünf Kilometern bis zur Spitze des Großen Feldbergs lungerten einige eher kleinere Touri-Spots am Wegesrand: ein römisches Kastell, der Wald-Glas-Pfad, die Gottschalk-Fichte…
Außerdem ging es doch recht ordentlich bergauf (881 Meter wollen ja auch irgendwie erreicht werden), so dass ich ziemlich außer Atem dort oben ankam. Liebes Lottchen, da war was los – Jahrmarkt ist nix dagegen! Die Nähe zu Frankfurt (gleich hinterm Berg) war unübersehbar! Da picknickten türkische Großfamilien, tummelten sich Mountainbiker und mindestens die Hälfte aller Motorradfahrer Hessens, posten Asiaten, Amis, und eine Scheich-Familie für Selfies um die Wette und zu allem Überfluss dudelte laut Silbereisen-Fischer-Musik aus dem Kiosk. Ich bekam einen Kulturschock!
Da half nur, den Blick auf die atemberaubende Aussicht zu richten und die Nerven mit einer Sahneschnitte in Form von Kirsch-Streusel zu beruhigen.
Auf dem Rückweg nach Glashüten dachte ich, wie gut es doch war, den Berg ohne Gepäck bestiegen zu haben. Und ich dachte: Wie gut war es doch, dass ich beschlossen habe, mir die Etappe durch das Stadtgebiet von Frankfurt und die nach Darmstadt (auch alles eng bebaut) zu schenken und für morgen Abend ein Hotelzimmer in Darmstadt gebucht habe. Ich werde also morgen von den Taunus-Höhen herabsteigen und mich im Norden Frankfurts in den Zug nach Darmstadt setzen. Ich lauf doch nicht bei 30 Grad durch Frankfurt – bin doch nicht bescheuert…
Den Bembel für das Städtchen Idstein, das da im Taunus gemütlich vor sich hinschlummert. Wenn‘s die Japaner und Amis erst entdeckt haben, wird‘s mit der Gemütlichkeit vorbei sein.






















