Die heutige Etappe lag Schweinehund schwer im Magen und er versuchte mit allerlei Tricks, den Start zu verzögern. Ach komm, noch ein Tässchen Milchkaffee, ich muss dann aber schon nochmal länger ins Zimmer, und Übernachtungen buchen für die nächsten Tage ja auch noch, ach komm, nochmal kurz aufs Bett legen. Frau Komoot sprach gegen zehn Uhr ein Machtwort: Liebe Leute! Es ist warm heute und es sind 27 Kilometer und vieleviele Höhenmeter, also los jetzt! Ziel: Forbach.

Schon bei der Durchschreitung des Sonnentores in Dobel (offenbar erwarten uns noch weitere Tore entlang des Westweges – man darf gespannt sein) fühlten wir uns deutlich besser, aber als dann auch noch Schwarzwald-Anni mit ihrem Bollenhut (nicht Bommelhut, wie ich korrigiert wurde) an der Ecke wartete, waren wir bester Laune. Hinaus auf den Weg!
In der näheren Dobel-Umgebung erwarteten uns Europa-Bänke, die in den Flaggenfarben der EU-Mitglieder gestrichen sind. Aufgebrachte Plaketten informieren über Beitrittsdaten und andere Hardfacts. Auch die britische Bank stand da im Wald mit einem frisch gestrichenen Union-Jack, aber ohne Plakette. Wahrscheinlich ist man in Dobel peinlich berührt und weiß nun auch nicht so recht, was man auf eine potentielle Plakette schreiben soll. Hätte ich irgendetwas Schwarzes dabei gehabt, hätte ich es als Trauerflor dort hinterlassen.
Der Weg ging stetig leicht bergauf und führte mich relativ schnell an den ersten Aussichtspunkt Richtung Osten (Rheintal, Karlsruhe, Vogesen). Dort standen denn auch zwei Rothaarsteig-Bänkchen „für Arme“ (die Form stimmte nicht – total umbequem!), und es war Zeit für eine erste Pause. HERR-LICH!!
Im weiteren Verlauf der Etappe folgten noch viele dieser tollen Aussichtspunkte, jeweils bestückt mit touristischer Wander-Infrastruktur, also Bänkchen, Hüttchen, Grillstellen und Co. Bei so viel Premium-Wanderweg und Qualitätssiegel-Kultur fiel mir folgender Spruch ein: „Wenn zu perfekt, lieber Gott böse.“ Ja, bestimmt auch der Wander-Gott, denn es gibt zweifellos auch ein Zuviel an Wander-Infrastruktur – zumindest, wenn man gerade aus dem wandertechnisch verwahrlosten Kraichgau kommt.
Doch der Stellenwert, den der Westweg mit seiner ganzen Ausstattung hat, hat auch sein Gutes: Es sind Menschen unterwegs. Wandernde Menschen. Nicht nur tageswandernde Menschen. Auch länger wandernde.
Die ersten robbten sich kurz nach der Hälfte der Etappe von hinten an mich heran und entpuppten sich als zwei wanderlustige ältere Herren – Norbert und Manfred – die auch erst auf dem Weg zueinander gefunden hatten. Etwas später stieß auch noch Justina zu uns – mit der ich mir heute Nacht ein Zimmer teile (so schnell geht das bei den Wandersleuten!). Wir wanderten fortan in unterschiedlichen Konstellationen und trafen uns dann abends wieder zum gemeinsamen Abendessen. Die Verwicklungen bezüglich gebuchter, nicht gebuchter, in falschen Hotels gebuchter Zimmer, erspare ich dem werten Leser / der werten Leserin. Hauptsache, wir haben heute Nacht alle ein Bett, gell?!
Die Natur war großartig, abwechslungsreich, schwarzwälderisch, wechselte von Wald zu Wiese, von Wiese zu Moor, von Moor wieder zu Wald … und macht mich glücklich!
Auf den letzten sieben Kilometern ging es „sakrische“ 700 Höhenmeter runter ins Städtchen Forbach, was ich im Doppel mit Norbert wunderbar meisterte, zumal uns unten – kurz vor dem Ort – ein wunderschönes Eckchen Natur erwartete: Heuschober am Wiesenhang, ein Hexen-Brünnlein am Wegesrand, Ziegen und Schafe auf der Weide. Also machten wir kurz vor dem Ort tatsächlich nochmals eine Sonnenpause. Einer DER Traummomente auf meiner Wanderung bisher – eindeutig!
Heute war ein Bembel-los-glücklicher Tag – was Schweinehund beim Frühstück in dieser Form nun wirklich nicht erwartet hätte.


















