Heute war der fünfzigste Wandertag auf meinem Weg von Bremen nach Irgendwo. Ich sage bewusst „Irgendwo“, weil für mich mittlerweile völlig klar ist, dass Basel morgen mitnichten der Endpunkt meiner Wanderung sein wird. Aber dazu später oder in den nächsten Tagen mehr.
Heute ging es erst einmal über die letzten Schwarzwaldhöhen (die Berge Belchen und Blauen) nach Kandern. Mit 35 Kilometern und über 1.000 Höhenmetern meine bisherige Königsetappe – was die Zahlen angeht. Wettertechnisch war kein König zu sehen. Der Wald war voll von umherziehenden Wolken- und Nebelgeschwadern, oft regnete es, und von den Höhen herab sah man nichts bis nur sehr wenig. Erst nachmittags beim Abstieg nach Kandern zeigte sich die Sonne.
Da Frau Margarethen nur um halb acht Frühstück zu servieren gedachte, war ich schon um Viertel nach acht auf der Strecke. Frau Komoot hatte Frau Margarethe mitgeteilt, sie müsse uns nicht die 100 Höhenmeter zum Westweg bringen, das sei ja noch schöner, denn wenn schon denn schon, und sie würde Schweinehund und mir schon Beine machen. Naturgemäß sahen wir das anders, aber wenn sich zwei Feldwebel verbünden, sind wir machtlos.
Frau Margerethen zeigte sich im Übrigen heute morgen gar nicht mehr so feldwebelig, fing sogar an zu weinen, als ich sie nach ihrer Familie fragte, deren Fotos im Frühstücksraum standen. Die Familiengeschichte, die sie mir dann erzählte, werde ich hier nicht wiedergeben. Nur so viel: Es war für mich mal wieder ein Lehrstück in Sachen Demut. Was habe ich für ein Glück!
Ich war also bei Nebelnieselregen mit Schweinehund und Frau Komoot auf der Strecke und, hinauf die 100 Höhenmeter, zurück auf dem Weg. Kaum waren wir oben, kam uns ein gut gelaunter SWR-Kameramann mit geschulterter Kamera und Stativ entgegen, der schon in aller Frühe Nebelaufnahmen vom Schwarzen Wald eingefangen hatte. Früher Vogel… Schweinehund ZEIGTE ihm den Vogel.
A propos Vogel: Wie man sieht gedeihen Mensch und Tier prächtig im neblig-grauen Schwarzwald. Schnecken und Würmer erreichen Größen, die wirklich beachtlich sind. Schweinehund machte sich den ganzen Tag über einen Spaß daraus, jeweils NOCH längere und größere Tiere aufzuspüren.
Der Weg führte von Anfang an bergauf, acht Kilometer hinauf auf den Belchen, der mit 1.360 Meter auch ganz schön hoch ist, was man an der ziemlich fertig-geschwitzten Silke gut erkennen kann. Schweinehund wollte nicht so gerne mit aufs Bild – da ist er eitel – ich kann aber versichern, er sah ähnlich aus (überhaupt werden wir uns immer ähnlicher…).
Oben war komplett Nebel um uns, so dass wir uns das letzte Wegstückchen auf den Gipfel sparten und lieber gleich im höchstgelegenen Gasthaus Baden-Württembergs auf einen Cappuccino und ein Sahneschnittchen einkehrten.
Dort war man gerade noch am Reinemachen, was die zuständigen Damen aber nicht davon abhielt, mit mir ein Schwätzchen zu halten. Dabei erfuhr ich mal wieder Spannendes:
1. Der Belchen ist bei Sonne deutlich schöner (siehe Postkarte, die mir illustrierend zum Fotografieren gereicht wurde).
2. Der Belchengipfel war schon Tatort moderner Kunst (das was aussieht wie ein Klohäuschen) – darauf ist man besonders stolz.
3. Der Belchen bildete mit ähnlichen Belchen-Bergen in der Schweiz und in Frankreich (wir sind hier im Dreiländereck) bei den alten Kelten ein mystisches Dreieck, das zur Zeitmessung und Orientierung diente.
4. Die Belchenbahn mit den gelben Gondeln, die vom Örtchen Schönau hier heraufführt, stand seinerzeit auf der Expo in Hannover (wer erinnert sich?).
Gut gestärkt ging es danach weiter. Da meine Füße mittlerweile mal wieder aussehen wie in den schlimmsten Februartagen, war das Gehen etwas erschwert. Es ist schon komisch: Tagelang hatte ich überhaupt keine Probleme und jetzt? Blasen über Blasen, Schürf- und Zwackstellen. Aber man wird gleichmütig, weil man weiß: sie werden auch wieder gehen…und es ist wirklichwirklich an der Zeit, neue Socken zu kaufen!
Von der Zwischenstrecke bis zum Blauen ist nicht viel zu berichten. 17 Kilometer Schwarzwald-Auf-und-Ab. Keine besonderen Vorkommnisse. Ich hätte ja Frau Komoot schon gerne mal belatschert, ob es nicht vielleicht Abkürzungen gäbe, aber der Weg führt halt nun mal auf den Höhen entlang, da kann man nichts machen und jede Streckenänderung hätte auch gleich die Höhenmeter mit im Gepäck. Dann doch lieber oben rum – und dafür länger.
Auf dem Blauen angekommen, lichtete sich doch tatsächlich gerade der Nebel und gab es Blick frei Richtung Basel, die Vogesen und die Rheinebene – beeindruckend! Gerne wär ich für mehr Nebellichtung noch geblieben, aber erstens pfiff mir dort oben der Wind ganz schön um die Ohren und zweitens wars schon spät.
Die letzten neun Kilometer gingen fast ausschließlich bergab und ich ließ es mit lauter Musik auf den Ohren bergab rollen, die Blasen ignorierend, so dass ich nach 10 Stunden ans Ziel kam. Was für eine Etappe!
Morgen wird der Westweg in Basel zu Ende gehen. 12 Etappen Schwarzer Wald voll grandioser Natur und sensationellen Ausblicken, mit viel Sonne und ein wenig Regen, gefüllt mit lieben Menschen, Lachen und Gesprächen. Es war wie Schaulaufen nach der Goldmedaille. Einfach, entspannt, mit viel Leichtigkeit und Freude. Einfach grandios!
Und deswegen geht der Bembel an Philipp Bussemer und Julius Kaufmann, die den Westweg im Jahre 1900, also vor genau 120 Jahren angelegt haben. Das habt ihr sehr gut gemacht!














