Nachtrag zum gestrigen Abend:
Ich war also im Gasthaus Taube und alles war fein und dann wurde es noch viel feiner. Als ich eigentlich schon bezahlen wollte, wurde ich von einer bezaubernder Truppe mehr oder weniger Einheimischer an deren Tisch eingeladen. Mit von der Partie war eine regionale (oder österreichische? … Gabi, wenn du das liest: Ich möchte dir nicht unrecht tun…) Kabarett-Größe, das gastgebende Tauben-Wirtshauspaar Lothar und Helene, ein passionierter Wanderer, noch so einzweidrei und gegen später der Männer-Stammtisch ausm Wald. So unterschiedlich wie die Menschen waren auch die Themen und natürlich werden folgende Stichworte den eigentlichen Gesprächen nicht gerecht.
Dennoch:
1. Beim Wälder-Dialekt, der hier im Bregenzer Wald gesprochen wird, muss man sich doch schwer konzentrieren. Alkohol hilft beim Verstehen NICHT!
2. „Im Wald“ sagt jeder zu jedem DU – sehr sympathisch!
3. Man kann auch von Bregenz nach Jerusalem wandern. Dauert gegebenenfalls 11 Monate.
4. Für Kabarettistinnen ist Corona Scheiße. Für viele andere auch.
5. Es kann schwer sein, regional und Qualität und hand-und-selbstgemacht anzubieten, wenn so viele Menschen billigbillig wollen.
6. Verlässliches Küchenpersonal? Extrem schwer zu kriegen!
7. Es gibt viele leckere Getränke in der Taube, besonders Enzian und Frizzante (den Meisterwurz fand ich grenzwertig), die ich ALLE probieren durfte – da kannte Helene kein Pardon!
8. Wenn da so ne junge, hübsche Weitwanderin hereinschneit, lässt sich sogar der verschrobenste Wälder Junggeselle zu einer Getränkeeinladung hinreißen (zum Erstaunen der restlichen Truppe).
9. Je später der Abend, desto leckerer die Snacks aufs Haus, in dem Fall vom Chef handverlesene Käsen und andere Leckereien und-da-war-noch-mehr-aber-das-krieg-ich-jetzt-nicht-mehr-zusammen…
Das Ende vom Lied war, dass wir gemeinsam die Tauben-Bude abschlossen und Helene mich sogar „nach Hause“ kutschierte. Was‘n Service!
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Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass ich heute Morgen einen dicken fetten Kater hatte. Ich schlief bis um neun und landete dann – noch halb verschlafen – bei meiner Vermieterin (Tochter des Mütterchens) in der Küche bei einem Kaffee. Wir plauderten über dies und das und sie empfahl mir neben der heutigen Wanderroute das Angelika Kauffmann Museum in Schwarzenberg. Damit war klar: 20 Kilometer über Schwarzenberg nach Bezau.
Gegen elf zuckelte ich dann mal los, besorgte mir beim Bäcker noch ne Stulle auf die Hand und eine in den Rucksack, betäubte den Kater mit Drogen und verpasste prompt gleich im Dorf den richtigen Abzweig. Dies hatte zur Folge, dass ich ziemlich lange auf dem geteerten Fahrweg bergauf stapfen musste, hoch bis auf 1.100 Meter. Trotz des krakeelenden Katers machte ich das aber wohl ganz gut, denn die Schweizer E-Mountainbiker, die mich im unteren Teil überholt hatten, traf ich oben wieder und da kuckte ich in erstaunte Gesichter. Ja, ich war auch schon da!
Zur Belohnung gab‘s tolle Ausblicke zurück Richtung Bodensee und Pfänder und voraus Richtung hübschhohe Berge, die in der Sonne glitzerten.
Auf der Höhe herrschte Bregenzer Wald-Idylle pur inklusive göttlichem Beistand (mit heiligem Wälder-Wasser) und Herzbänkchen (Achtung, alle üblichen Verdächtigen: Füße hoch!).
Von dort ging es dann bergab Richtung Schwarzenberg, einem sehr hübschen Ort mit vielen tollen alten Holzhäusern. In einem davon ist neben dem Heimatmuseum das Angelika Kauffmann Museum untergebracht. Wer die Dame nicht kennt, grämt euch nicht, ich kannte sie auch nicht. Aber dank zweier äußerst gesprächiger Museums-Damen kenne ich nun ihre Lebensgeschichte (ich hätte den beiden ewig zuhören können) und kann berichten:
Angelika Kauffmann war im 18. Jahrhundert eine äußerst begabte und erfolgreiche MalerIN. Man lese und staune: zu DIESER Zeit als FRAU! Ihre Familie stammte aus Schwarzenberg, sie selbst verschlug es jedoch durch glückliche Umstände erst mal nach London, wo sie Unsummen mit Portrait-Malerei verdiente (Halbportrait umgerechnet auf heute: 30.000 Euro). Nebenbei saß sie leider einem Heiratsschwindler auf und hatte fortan ein gebrochenes Herz (nicht schön). Mit ihrem zweiten Mann (italienischer Maler – längst nicht so begabt, der Gute) zog sie nach Rom und hielt in einem Palazzo nahe der Spanischen Treppe Hof, denn sie hatte mittlerweile vielfältige Kontakte zum Who is Who des europäischen Adels sowie zu Gelehrten und Dichtern. Auch Goethe schaute auf seiner Italienreise bei ihr vorbei.
Sie malte besonders gerne Historienbilder und stellte dabei fast immer starke Frauengestalten in den Vordergrund.
Bei all dem bewies sie – nomen est omen – ein durchaus beachtliches kaufmännisches Geschick, so dass sie sehr vermögend starb und auch Schwarzenberg in ihrem Testament großzügig bedachte.
Donnerlittchen, das ist doch mal eine für diese Zeit außergewöhnliche Biografie!
Nach so viel Frauenpower war ich erst mal reif für eine Sahneschnitte in einem der hübschen Dorfgasthöfe.
Den Rest der Etappe absolvierte ich danach in gewohnt endspurtlicher Manier und kam gut gelaunt gegen 18 Uhr nach Bezau.
Hier ist alles fein, wenn auch nicht ganz so fein wie gestern.
Angelika, du kriegst heute den Bembel, für deine besondere Begabung und für die Stärke, mit der du dich zu deiner Zeit als Frau durchgesetzt und behauptet hast.











