Da es in den Bergen nur ein sehr löchriges und wenig verlässliches Netz gibt, von Wlan ganz zu schweigen (und das ist auch gut so!), hier der Nachtrag zur Verwall-Durchquerung.
Sonntag, 26.07.2020:
Gestern Abend beim Abendessen in der Kaltenberghütte habe ich die Bekanntschaft mit Renate und Thomas gemacht. Nach dem Abendessen gab‘s vom Chef selbst angesetzt-gebrannten Zirbenschnaps für schlappe vier Euro (für den kleinen), der angeblich drei Jahre im Eichenfass vor sich hingedümpelt hat – und so schmeckte er auch! Ziemlich zum Abgewöhnen, kein Wunder, der Chef preist ihn an, als gäb’s kein Morgen, so dass man eigentlich nicht „Nein“ sagen kann und ihn dann mit leicht verkrampfter Miene wahlweise schlückchenweise oder auf Ex vernichtet (damit er sonst keinen Schaden mehr anrichten kann).
Renate und Thomas stapften heute Morgen in aller Frühe los Richtung Konstanzer Hütte, weil sie Vertreter der Früher-Vogel-fängt-den-Wurm-Fraktion sind. Es regnete und es waren ab 14 Uhr Gewitter im Verwall angesagt. Schweinehund und mich kann der frühe Vogel bekanntlich mal, aber vor Gewittern haben wir dennoch Respekt, zumal, wenn sie uns potentiell auf irgendeinem der vielen Jöchels oder Scharten ereilen, über die wir so drüber müssen auf unserem Weg.
Also waren auch wir recht früh dran und starteten gegen halb neun Richtung Konstanzer Hütte. Angegebene Zeit 6 Stunden, 700 Hm hoch, 1.100 Hm runter.
Es nieselte so vor sich hin und anfangs waren die Berge um uns her auch extrem wolken- und nebelverhangen.
Mir hatte mal eine flotte 60-jährige Wiener Modezeitschriften-Chefredakteurin erklärt, dass hautmäßig gesehen Regen ungemein polstert (und hatte sich damit gleichzeitig den strömenden Regen auf Mallorca schöngeredet), und so richtete ich meinen Fokus auf meine in Aufpolsterung begriffenen Gesichtszüge, und es ging mir gleich viel besser! Schweinehund allerdings sind seine Gesichtsfalten piepegal, ist eben ein Schönwetter-Schweinehund, und saß deshalb mal wieder unter der Rucksack-Regenhülle.
Mit zunehmender Höhe aber lichteten sich die Wolken und nach eineinhalb Stunden erreichte ich das erste Joch, das Krachenjoch, und hatte von dort einen großartigen Blick auf die Berge dahinter.
Das ist wirklich toll: Man steigt stundenlang auf ein Joch oder eine Scharte auf und erst im letzten, also in dem Moment, in dem man oben ist, sieht man auf der anderen Seite runter… und WIE!! Meist imposante Bergwelt mit allem, was dazugehört.
Eigentlich immer – und so auch in dem Fall – ist‘s da oben recht zugig, so dass ich gleich auf der anderen Seite wieder runterstieg und erst an den hübschen hochalpinen Bergseen meine erste Pause machte.
Dort traf ich auch Renate und Thomas wieder, und wir scharwenzelten den Rest der Etappe mehr oder weniger um einander herum, was ja irgendwie auch klar ist, wenn man den gleichen Weg hat.
Im Zwischen-zwei-Scharten-Hochtal machte ich mittlerweile bei Sonnenschein eine erste Füße-hoch-Pause mit Blick auf mäandernde Bergbachläufe, von denen Schweinehund nicht genug kriegen kann, bevor ich den Aufstieg zum zweiten Joch in Angriff nahm. Ja, genau, da oben durch die Delle im Berg, da geht‘s drüber (zweites Bild unten). Schweinehund ist kein Freund von Joch-Scharten-und-überhaupt-Aufstiegen, da hilft es, wenn andere Wandermenschlein vorausgehen, denn dann wird sein Ehrgeiz gepackt, sie einzuholen (der muss mal an seinem Ego arbeiten, der Gute!). Und so erreichten wir auch das zweite Joch, das Gstansjöchl, in bester Verfassung und genossen den Blick auf das Wahrzeichen des Verwall, den Patteriol (rechts im letzten Bild).
Der Abstieg zur Hütte war lang, gestaltete sich jedoch denkbar hübsch mit tollen Almwiesen, friedlich grasenden Schafen, Wasserläufen und einer zweiten Füße-hoch-Musik-hör-Pause, von Gewitter keine Spur!
In der Konstanzer Hütte eingelaufen, nahmen Renate und ich erst mal ein kleines Schnäpschen zu uns (es sollte nicht das letzte bleiben) und konsumierten später auf der Sonnenterrasse noch andere Tiroler Spezialitäten. Das Gewitter schaute gegen 17 Uhr kurz vorbei – danach war’s wieder herrlich!
Die Hütte selbst ist recht neu (die alte wurde bedauerlicherweise in den 1980er-Jahren von einem Bergrutsch verschüttet – keine Toten) und bietet neben einem Natur-Kneipp-Becken warme Duschen und super Zimmer- und Lagerschlafplätze. Dankenswerterweise durfte ich statt im 16er-Lager bei Renate und Thomas im Dreibettzimmer schlafen (wir sagen‘s nicht dem Hüttenwirt, gell?!) – das war sehr fein!
Deswegen und wegen der anregenden Gespräche gibt‘s denn auch den Bembel für die beiden! Ich hoffe, ihr habt noch eine feine Verwall-Runde!
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Montag, 27.07.2020:
Frühmorgens lag Nebel auf den Bergen rund um die Konstanzer Hütte, der sich jedoch während der Frühstückszeit (in den Hütten von 7 bis 8 Uhr – nix für Schweinehunde) in einem großartigen Schauspiel lichtete und damit einen strahlenden Hochsommertag eröffnete.
Frau Komoot ist derzeit in Kurzarbeit, weil die Strecke meist eigentlich klar ist (zur nächsten Hütte) und es, wenn überhaupt, nur eine Alternative gibt, die meine alpine Kompetenz jedoch deutlich übersteigt.
Renate und Thomas machen die große Verwall-Runde und gingen heute zu einer anderen Hütte. Nach dem Abschied stapfte ich also alleine los, um 10 nach 8, was mir zu Taunus-Zeiten im Leben nicht eingefallen wäre – aber jetzt sind wir eben im Hochgebirge – Richtung Darmstädter Hütte mit dem sagenumwobenen Hüttenwirt Andi.
Rauf ging‘s auf dem Apothekerweg (warum der wohl so heißt?) 1.000 Höhenmeter zu einem namenlosen Jöchel. Dabei überholte mich ein ebenfalls namenloser Berg-Jogger (oder wie nennen sich diese Verrückten?) und kam mir dann (nach zwischenzeitlicher Bergbesteigung) auch wieder entgegen, mit einem freundlich-flotten Spruch auf den Lippen und den besten Wünschen für meinen weiteren Aufstieg. Höhö!
Oben aufm Jöchel aß ich erst mal meine beim Frühstück stibitzte Käsestulle.
– Eigentlich ist es strengstens untersagt, beim Frühstück was mitzunehmen (Iss dich fit, aber nimm nichts mit!), was bei ausgewachsenen Bergsteigern nachvollziehbar ist, die schon beim Frühstück Unmengen Müsli und Brote verputzen und sich dann noch fünf Stullen mit dick Auflage schmieren würden. Bergwander-Spätzchen und Nicht-Frühstückerin Silke hingegen zwingt sich morgens ein kleines Stückchen Brot rein und nimmt nach lieblich-bravem Nachfragen ein zweites mit. So geht das dann in Ordnung. –
Ich saß also Käsestullen-kauend aufm Jöchel und dachte dabei über Thomas’ Tipp nach, der großartigen Aussicht wegen den hier am Weg liegenden Scheibler (Berg) zu besteigen. Ich lass mich ja selten lumpen, weshalb ich meinen Rucksack am Wegesrand deponierte (der kommt hier nicht weg, keine Sorge, wir sind ja nicht in der Großstadt) und befreit den Aufstieg begann. Für viele ist der steil-steinige Weg wahrscheinlich pillepalle, ich jedoch kam ob der Ausgesetztheit einiger Stellen an meine Mut-Grenzen, zumal ich eben alleine war. Da hätte es doch eines Kletterhändchen-Haltens und -Führens bedurft, um weiterzugehen. Also brach ich die Unternehmung bei der Hälfte ab und schenkte mir den Rest. Auch von dort, wo ich dann saß, hatte ich eine grandiose Aussicht, und war stolz wie Bolle!
Als wir wieder runter kamen, saß das ganze Joch voller Wandervolk und ich machte die Bekanntschaft mit Martina, Andre und Moritz, mit denen ich später dann den Abend in der Hütte verbrachte.
Der Abstieg dorthin war etwas herausfordernd (Kletterstelle, Geröll, Schneefelder und so) und brauchte viel Konzentration.
Aber mit der nahenden Hütte fest im Blick und dem einen oder anderen Päuschen klappte das super, so dass ich wohlbehalten bei Andi landete.
Die Darmstädter Hütte ist jetzt schon eine meiner Lieblingshütten, nicht nur des freundlich-charmanten Hüttenwirts wegen (der es aber wohl – wenn man anonym bleiben wollenden Stimmen glauben darf – mit Organisation, Papierkram und Bürokratie nicht ganz so ernst nimmt), sondern auch wegen der tollen Lage, der selbst gezimmerten Himmelsliege, dem zwergenhaften Matratzenlager und den wirklich sensationell-leckeren Knödeln, die man sich in gefühlten 30 Variationen zusammenstellen kann.
Da die Duschsituation sehr bescheiden war (in Worten: 1 Stück Dusche), hüpfte ich mit einigen Mitwandernden in den kleinen, ziemlich kalten Badesee und hielt so meine sowieso schon hellwachen Lebensgeister noch wacher.
Es folgte ein lustiger Hüttenabend mit Martina, Andre und Moritz, während sich die Nacht über das Verwall senkte, die Berge und Schweinehunde schon mal einschlummerten und auch wir irgendwann schläfrig in unsere Kojen schlüpften (ich war tatsächlich upgegradet von der Holzklasse ins Matratzenlager!).
Der Gastfreundschafts-Bembel für Andi – am Bürokratie-Bembel kann er ja noch arbeiten (oder ne Sekretärin einstellen).
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Dienstag, 28.07.2020:
Zur Niederelbe-Hütte führte der Weg heute erstaunlicherweise erst mal RUNTER… bevor es dann knackig bergauf ging, wer hätt‘s gedacht.
Bei wieder einmal schönstem Sommer-Sonnen-Bergwetter ließ ich es bergab rollen Richtung Kartellspeichersee und genoss das anstrengungslose und unbeschwerte Bergwandern. Einzige Herausforderung war eine Bretterbrücke über das lustig dahin sprudelnde Gebirgsbächlein.
Danach führte uns Frau Komoot – wie gesagt, sie hat wenig Alternativen – steil bergauf zum nächsten Joch – sensationeller Blick!
Dort saßen auch zwei Mädels aus Düsseldorf und wollten eigentlich weder vor noch wieder zurück, was bei einem Joch naturgemäß eher kontraproduktiv ist. Da mir ja Unwohlsein in den Bergen nicht unbekannt ist, bot ich den beiden an, mit ihnen gemeinsam den Abstieg in Angriff zu nehmen. Wir brauchten zwar unwesentlich länger als die angegebenen 1 1/2 Stunden, aber nachdem Nina und Julia erst mal etwas Vertrauen in die Profile ihrer Bergschuhe gefasst hatten, machten sie das super. Auch ihre Schneefelder-Überquerungskompetenz (immer schön die Hacke in den Schnee rammen) konnten die beiden fein ausbauen. Schweinehund und ich waren schon im Fortgeschrittenen-Kurs und hatten sehr viel Spaß bei den kurzen Abfahrten auf Bergschuhen. Yippiehh!
An der Hütte angekommen sprang ich in Ermangelung von Duschen (einmal mehr) in den noch vielviel kälteren (man munkelte was von 5 Grad) Bergsee, und danach verbrachten wir in größerer Runde einen schönen Abend mit leckerem Essen, Kniffel und Uno. Möglicherweise war dabei zu viel des unterschiedlichen Schapses im Spiel – so genau lässt sich das rückblickend nicht mehr sagen, jedenfalls ging es mir am nächsten Tag nicht gut, gar nicht gut.
Bevor jedoch das Elend beschrieben wird noch einen Bembel für Antonia, die das rund um ihren 17. Geburtstag alles super-toll macht – auch die Jöchels!
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Mittwoch, 29.07.2020:
Schon beim Aufwachen war klar: Kein guter Tag heute! Für Moritz und Papa Stefan, Martina und Andre, Nina und Julia schon, aber nicht für mich.
Erstere blieben eine weitere Nacht auf der Hütte (mal wieder Abschiede), während Nina und Julia, die zwei Düsseldorfer Werberinnen (manchmal holt mich mein eigenes Leben ein) beschlossen hatten, ihre eigentlich geplante Tour umzuplanen und mich ins Paznauntal (dort liegt auch Ischgl – haha!) zu begleiten.
Also marschierten wir gegen halb zehn los (ich hatte mich noch verquatscht und die beiden hatten sich noch eine Unterkunft organisiert) und nahmen den von der Niederelbe-Wirtin empfohlenen Weg, der sich als wunderschön entpuppte.
Ein klein-glas-klarer Bergsee lud zum (Fuß-)bade und da ich dachte, es würde meine Lebensgeister ein wenig auf Vordermann bringen, sprang ich ganz rein. Kurzfristig half das auch – die Silke auf dem Foto wirkt ja auch durchaus aufgeräumt – aber auf dem weiteren Weg fühlte ich mich zunehmend beschissen.
In Nederle im Paznauntal angekommen konnten auch zwei Colas nix mehr ausrichten. Nur der im Hotel Höllroah ausgestellte Schaukasten rang mir ein Grinsen ab. Vielleicht ist es nicht so gesund, ein Leben lang in einem so engen Tal wie dem Paznauntal zu leben…
Auch weil es mittlerweile sehr heiß war, nahmen wir kurzerhand den Bus nach See (eigentlich wollten wir natürlich wandern – Frau Komoot hatte sich extra eine schöne Strecke jenseits der Straße ausgedacht) und ich sank für einen ersten Gesundungsschlaf in mein Pensionsbett im Haus Sibylle. Leider hab ich es dann zu einem eigentlich geplanten Abendessen mit Julia und Nina auch nicht mehr geschafft (Sorry, ihr zwei, das wär schön gewesen), sondern befolgte die von meinem ärztlichen Berater ausgegebenen Anweisungen (und ließ die hinsichtlich einer kurzen Corona-Hysterie beruhigenden Worte wirken) und schlief und schwitzte mich gesund.
Der Bembel an den ärztlichen Berater! Ich habe den 24-Stunden-Virus erfolgreich vertrieben und starte jetzt gleich zur Ascher Hütte!








































