Vorgestern Abend in der Ascher Hütte mochten die friedlichen Schäfchenwolken im Dämmerlicht so gar nicht zur leicht gereizten Stimmung passen. Zwei deutsche Familien sahen nämlich nicht ein, sich zu Corona-Zeiten die Zimmerlager mit fremden Leuten zu teilen. Es war absurd! Sie machten einen solchen Aufstand, dass diverse Personen (u.a. ich) nochmals das Zimmer wechseln und außerdem die beiden Servicekräfte ihr Zimmer ganz räumen mussten. Immerhin gab’s dafür einen Schnaps von der Wirtin.
Also, bei aller Liebe! Wenn ich soo große Angst vor Ansteckung habe, sollte ich doch vielleicht eine alternative Urlaubsform wählen und Berghütten in diesem Jahr meiden. Aber gut, logisch-sinnvolle Überlegungen sind vielleicht nicht jedermanns Sache.
Auch sonst war die Hütte, sagen wir, anders. Es ist – wie gesagt – eine Hütte im Schigebiet und macht als solche ihren Hauptumsatz im Winter. Das hat zur Folge, dass man schon selbst aktiv werden muss, wenn man was zu trinken haben möchte (und nicht ständig gefragt wird), dass, sagen wir mal vorsichtig, das Gästevolk ein anderes ist (siehe oben) und dass die Wirtsleute nichts bis wenig zu den Sommerwanderwegen sagen können. Auf meine Frage, wie ich denn Pfunds (im nächsten Tal) am besten erreichen könne (denn dort war ich einmal mehr mit dem Bruder verabredet), erntete ich nur große Augen und den Hinweis, da hätten sie jetzt auch noch NIE jemanden gehabt, der SO weit laufen wollte. Äähh… ach so?!
Jetzt, am Tag danach, faul am Reschensee lungernd, finde ich tatsächlich auch, dass es ganz schön weit und bergig war: 23 Kilometer, 800 Hm rauf und über 2.000 Hm runter! Ich finde, dafür sieht das Höhenprofil geradezu lächerlich einfach aus – und: dafür geht’s mir (am Tag danach) ziemlich gut!
Aber zurück zu gestern:
Da ich mich morgens wieder ganz genesen fühlte, entschied ich mich, die Tour (ohne Bus- oder Bahn-Unterstützung) in Angriff zu nehmen, OBWOHL sie noch NIE jemand VOR mir gegangen ist.
Früher Vogel fängt ja bekanntlich die lange Etappe und so startete ich – Schweinehund hin oder her – um 10 vor acht. Der Weg führte zunächst (fast Schigebiets-los) hinauf auf ein Jöchel – was ganz Neues – schwupp, über ein Schneefeld und dann schön drahtseilversichert entlang des Abgrunds, was sich (das für alle Mütter) deutlich gefährlicher liest als es war.
Danach hüpfte ich quer über Geröllfelder hinauf zur Furglerscharte, von wo aus ich den sicherlich großartigen Furgler hätte besteigen können. Dass ich es nicht getan habe, zumal bei perfektem Wanderwetter, halten viele Bergsteigerlein wahrscheinlich für ziemlich bedauernswert, aber ich bin ja (wie gelesen) kein Gipfelmensch und strebte gestern eh nach Weiterem, hatte also keine Zeit für Gipfel.
Also ging‘s flugs über die Scharte und auf der anderen Seite wieder runter, wo ich nicht nur im nächsten Schigebiet, sondern auch auf der tagestouristischen Autobahn landete, dem Murmeltiersteig.
Dort war verständlicherweise kein einziges Murmeltier zu sehen. Dafür sorgte eine lange Schlange sich den Berg hinauf wälzender, teils grölender (Yeah, Murmeltiere!), teils jammernder (Ich will endlich ein Murmeltier sehen!), teils schimpfender (Dann sei halt mal ruhig!), teils kläffender (Harrharr, Murmeltier!) Kinder-Eltern-Hunde für Unterhaltung, so dass auch der letzte schwerhörige Murmel schnellstens in seinem Loch verschwand.
Nach einer kurzen Pause am dennoch beschaulichen Furglersee führte der Weg weiter durch Schigebiets-Landschaft und über den Schmugglersteig (wo man allerlei Wissenswertes über die alte Schmuggler-Route erfuhr) zur Hexenseehütte.
Ich war mittlerweile fast fünf Stunden ohne nennenswerte Pause unterwegs und hatte gerade mal knapp die Hälfte der Strecke hinter mich gebracht. Schweinehund war extrem Pausen-reif! Also genehmigte ich uns erst mal ein Sahneschnittchen in Form von Kaiserschmarrn mit Apfelmus sowie zwei gespritzte Johanns (Johannisbeerschorle) und beratschlagte mit Frau Komoot über mögliche Weg-Alternativen. Doch – und da biss die Komoot-Maus keinen Faden ab – wir waren auf 2.588 Meter Höhe und Pfunds liegt auf knapp 1.000 Meter, wir mussten also 1.600 Hm runter (und nein, es gab keine Bahn).
Das Leben schickte uns den hilfreichen Hexenseehüttenwirt, der uns statt der von Frau Komoot erdachten Route eine kürzere empfahl. Die sei zwar steiler, jedoch kürzer. Ach ja, wie schön, Schweinehund dankt. Von Trittsicherheit, Schwindelfreiheit o.ä. sagte er nichts.
Wir schnürten also frohgemut unser Bündel, marschierten an allerlei Berggewässer vorbei und bogen hinter der letzten Bergbahn-Station (Schigebiet ade!) auf einen steil nach unten führenden Bergsteig ein. Oben am Schild stand: Pfunds 4 Stunden – Trittsicherheit und Schwindelfreiheit notwendig. Uiihh…!
Liebe Leute, WAS für ein Weg!! Ich folgte einem munter-steil dahinströmenden Bergbach in ein immer enger und steiler werdendes schluchtartiges Bergtal, dachte erst: Ach, nett hier, danach: Oha!, später dann: Uiihh! Es war steil, es war lang, es war wild, es war einsam – aber es war saugeil!
Zwischendurch stapfte ich auf einem vom Weidvieh völlig vermatscht-zerstampften Pfad und dann wieder durch vielfältigst blühende Bergblumenwiesen, und dann kam der ECHTE Murmeltiersteig! Es war eine wilde Lust wie die Murmel über die Hänge zischten, sich laut gellende Pfiffe zuwarfen und teilweise über ihre eigenen Leute purzelten. Ein echtes Schauspiel!
Als ich auf die Forststraße kam waren es immer noch 1 1/2 Stunden bis Pfunds, aber immerhin konnte ich jetzt meine Konzentration auch wieder anderen Dingen als ausschließlich dem Weg und meinen Schritten zuwenden.
Der Bruder hatte mittlerweile im Hotel eingecheckt und auch mein Weg ging zu Ende – am Schluss nochmals mit dem „alten Pfundser Weg“ einem Abkürzungssteig durch den Wald, der mich quasi am Ortseingang ausspuckte.
Selten war ich so froh, ein Ortsschild zu sehen und auf die Idee, schneller als 30 kmh zu laufen kam ich in meinem Zustand dann auch nicht mehr. Nach fast 10 Stunden reiner Gehzeit legte ich mich in der vom Bruder gebuchten 4-Sterne-Sporthotel-Traube mit Halbpension und Wäscheservice erst mal in die Badewanne und danach trocken in die Horizontale. Nach zwei Stunden war ich dann wieder soweit hergestellt, dass ich es zum Abendessen und tatsächlich zu einem kleinen Dorfrundgang schaffte.
Heute geht’s schon wieder tiptop, und trotzdem genieße ich den Füße-hoch-Tag am Reschensee (schon mal ein kleiner Auto-Spritztour-Vorgriff – zu Fuß werde ich erst morgen und übermorgen hier sein), während der Bruder sich zur Vorbereitung seiner Trans-Alp-Mountainbike-Tour in den Bergen tummelt.
Und hier auch gleich schon mal ein paar Schön-Wetter-Fotos – wer weiß, wie sich das Wetter entwickelt. Es wird von Kälte und Regen gemunkelt…
Der Bembel des gestrigen Tages wird geteilt (es gibt ja schließlich auch manchmal zwei Goldmedaillen): Die eine Hälfte geht an den Bruder, der uns ein wirklich fabelhaftes Pausentag-Hotel gebucht hat.
Die andere Hälfte für den Hexenseehüttenwirt für die Wegempfehlung. Beim nächsten Mal darf er dann ruhig dazusagen, dass der Weg nur für Geübte ist (wie dann im Tal auf dem Schild stand).






















