Gestern Morgen im Haus Maria in Vetzan gab‘s kein Frühstück, denn eigentlich vermietet sie, die Maria, nur Ferienwohnungen. Aber da ringsumher alles ausgebucht war, hatte sie mir freundlicherweise eine Schlafstatt zur Verfügung gestellt. O-Ton: „Also, wenn’S zu Fuß unterwegs san und nur für a Nacht, dann kommen’S mal her, irgend a Bett wer’mer scho find‘n.“ Und so war‘s dann auch – äußerst nett, die Maria – aber eben ohne Frühstück.
Also packte ich gestern Morgen meine Siebensachen und marschierte in die Richtung, wo ich einen Kaffee vermutete, ins Dorf Goldrain (Schöner kann ein Dorf nicht heißen, oder?). Dort saß ich dann beim Italiener (haha!) an der Dorfstraße, trank äußerst leckeren Cappuccino und aß Nusshörnchen von der Bäckerei gegenüber. Schweinehund lungerte zu meinen Füßen im Schatten. Er hatte so Ü-BER-HAUPT keine Lust, sich auf eine lange, wiederum sonnenheiße Etappe zu begeben. Doch Frau Komoot lockte mit schattigen Waalwegen auf halber Höhe und so machten wir uns gegen 10 Uhr dann doch mal auf den Weg.
Es waren 21 Kilometer nach Naturns, wo ich heute einen Ruhe-Vorabschieds-Tag zelebriere. Heute Abend wird Meister Eckart mit Schweinehunds Kumpel (aus dem Lechquellgebirge) nochmals zu uns stoßen, und wir werden noch gemeinsam zwei Etappen Meraner Höhenweg gehen – bis Meran (oder so) und dort wird mein Weg erst einmal zu Ende sein.
Doch zurück zu gestern: Der Weg führte hinaus aus dem Dorf, kurz mal ziemlich lebensgefährlich über die Schnellstraße, schwupp, über die Leitplanke und hinein in die Apfel-und Kiwi(!)plantagen. Dort irrte ich ein wenig herum (das fing ja schon wieder gut an), bis mich ein freundlicher Kiwibauer auf den richtigen Weg brachte.
Der machte mich auch nochmals darauf aufmerksam, doch bitte die Wildzäune auf meinem Weg zu schließen (die Touristen seien da etwas nachlässig), was nicht nötig gewesen wäre, da überall entsprechend hinweisende Schilder installiert sind. Auch etwas, sagen wir: historische, die sich wahrscheinlich auf Artikel 21 eines möglicherweise nicht mehr gültigen Reichs-Wildzaun-Schließungsgesetzes beziehen, ihr wisst schon, damals, „von der Etsch bis an den Belt“ (der Etsch folge ich nun schon etliche Tage seit dem Reschensee), größenwahnsinnig wie die damals waren, Leute, bleibt wachsam und wehret den Anfängen! Wildzäune also schließen – mach ich!
Nach einem kleinen Abstecher auf einen Mini-Aussichtsfelsen – nicht des Fotos wert – landeten wir wie von Frau Komoot versprochen auf dem acht Kilometer langen Latschanderwaalweg.
Waale, so lerne ich, werden „gefasst“, also das Wasser aus den Bergen kommend zusammengefasst und fortan als „Wasserwosser“ (Wasser zum Wässern) künstlich im Waal gelenkt und zu den zu bewässernden Feldern geleitet. Inwiefern die Waale (sie entstanden Ende des 19. Jahrhunderts) auch heute noch zum Wässern genutzt werden oder aber nurmehr touristische Attraktion sind, konnte ich auf die Schnelle nicht abschließend recherchieren.
Schweinehund hatte eine RICHTIG gute Zeit da am Latschanderwaal! Der Pfad war halbschattig und abwechslungsreich, immer wieder gab‘s Felsentunnels und Wasserfällchen und zum Schluss hingen uns gar Schlaraffenland-mäßig die Trauben nahezu in den Mund. Die diesjährige Ernte ist auf einem guten Weg! Einziger Wermutstropfen – dies nur der Vollständigkeit halber – war die Dauerbeschallung von der Schnellstraße unten im Tal, aber da hab ich jetzt auch keine schnelle Lösung.
Der Waal führte mich direkt nach Kastellbel, auf italienisch: Castelbello, und insofern: Nomen est Omen, ein Örtchen mit einem durchaus Foto-tauglichen Kastell, wo ich eine Mittagspause mit viel Flüssigkeitsnachschub einlegte.
Als ich beim Verlassen des Dorfes ein Weingut kreuzte (der Weg ging doch tatsächlich DURCH die Scheune), kam der Weinbauer gelaufen.
– Ob ich denn jetzt TATSÄCHLICH bei DIESER Hitze DIESEN Weg da oben gehen wolle?
– Aber der geht doch am Waal entlang …
– Ja, schon, er sei aber trotzdem sehr heiß!
– Naja, aber ich will nach Naturns.
– Dann könne ich doch mit dem Bus…
– Schweinehund: Auja, BUS!
– Frau Komoot: Nix da!
– Ob ich denn auch genug Wasser … und wenn‘s zu heiß würde, solle ich zurückkommen und dann würde er mich auf ein leckeres Weinchen einladen und ne Hundehütte zum Übernachten gäb‘s auch noch…
Herrlich! Wegen SOLCHER Begegnungen LIEBE ich diesen meinen Weg!!
Vielleicht wusste der gute Mann, was ich nicht wusste: der folgende Tscharser Schnalswaal (herrliche Lautmalerei) lag nämlich trocken in seinem Bett.
Offensichtlich hatte ihm irgendwerirgendwo das Wasser abgegraben. Wie ich von einem entgegenkommenden Wanderer erfuhr war das tatsächlich so und zwar des Wartens wegen, also Waalbett säubern, Waalwegesrandgras mähen und so. Morgen würde dann wieder Wasserwosser fließen. Ach ja, wie schön! Für heute allerdings war‘s eher ein toter Waal (so heißt doch ein Waal ohne Wasser, haha) und insofern das Wandern daselbst zwar recht hübsch, aber natürlich nicht vergleichbar mit einem lustig-sprudelnden Waalwanderweg.
Abschließendes Highlight war das Schloss Juval bei Naturns, das der Bergsteigerlegende Reinhold Messner seit den 1980er-Jahren als Sommerwohnsitz dient und das ich samt MMM (Messner-Mountain-Museum) und Kunstsammlung für schlappe 10 Euro hätte besichtigen können. Doch es war schon spät und das Hotel Weingarten in Naturns erwartete mich… und zwar NOCHMALS mit nem Kastell. Ziemlich Burgen-lastig hier im Vinschgau!
Heute: Alle Mann, Schweinehund und Frau: Füße hoch im Hotelgarten und innerliche Vorbereitung auf das Finale!
Einen Bembel gibt’s für die Waalbauer und -bauern im vorletzten Jahrhundert. Für euch hing das bäuerliche Überleben von diesen Wasser-und Lebensadern ab, für mich nur der Schönheitsgrad einer Wanderetappe. Meta-epochal gesehen eine echte Win-win-Geschichte!












