Stammtisch-Weisheiten

Der heutige Tag begann in Finsterwald recht duster mit frühstmorgendlichem Verkehrsrauschen und einem Frühstück, das durchaus dem von Frau Gunsetal am 20. Februar 2020 hätte Konkurrenz machen können. Im Nebenzimmer unterhielten sich Wirts-Vater und Wirts-Tochter über das bös-bayrische Schulsystem, dem wohl der Wirts-Enkel „zum Opfer gefallen“ war. Schlimm aber auch, was soll denn jetzt aus dem Bubn wern?

Ich sah zu, dass ich Land gewann und nahm die 30 Kilometer und 1.000 Höhenmeter des heutigen Tages – nach Fischbachau sollte es gehen – in Angriff.

Bei tollem Wanderwetter liefen die ersten paar Kilometer bis Gmund wie geschmiert.

Dort legte ich mal eben meine Füßchen hoch, versorgte mich bei REWE mit ein paar Mannerschnitten für unterwegs (Schweinehund braucht das) und bog ab, rauf den Berg, 560 Höhenmeter Richtung Neureuth. Der Weg führte mich zunächst an ein paar Skurrilitäten vorbei, einer uralten Tankstelle und an Sandsäcken, die nach ihrem Einsatz beim letzten Starkregen in der Sonne trockneten.

Der Weg verschwand danach dankenswerterweise im kühlen Wald, was den Aufstieg erträglich und Schweinehund leidlich gut gelaunt werden ließ. Auf der Alm Neureuth tanzte der Schönwetterbär, so dass ich nach einem kleinen Fotostop weiterzog Richtung Gindlalmen. Es gibt derer drei und praktischerweise hat man sie durchnummeriert.

Kurz hinter Neureuth sprach mich ein Wanderer plusminus 60 an und gab dann auch gleich ab Minute drei unserer Unterhaltung zotige Sprüche von sich nach der Art: Ob ich ihn denn – wenn er jetzt umfiele – auch hübsch Mund-zu-Mund beatmen würde. Ich sann nach Fluchtmöglichkeiten…
und da er mir eh zu schnell war, warf ich ein, ich würde gerne langsamer gehen und ihm den Vortritt lassen. Daraufhin passte er sein Wandertempo an und ich hatte ihn und seine unsäglichen Sprüchen weiterhin an der Hacke: Die schlimmen Grünen, die ja überall wieder halb ausgestorbene Viecher ansiedeln würden, wir hätten ja schließlich die letzten Jahrzehnte auch gut ohne Wölfe und Geier gelebt. Und die Annalena, die würde so ein Putin doch zum Frühstück nehmen.

Während Frau Komoot nur die Augen verdrehte, knurrte Schweinehund unaufhörlich und fletschte die Zähne. Und Recht hatte er ja! Ich hätte diesem Fredl mal ordentlich die Meinung geigen sollen! Dass es ganz und unwiderruflich völlig widerlich ist, allein wandernde Frauen auf diese Art anzuquatschen, sie verbal zu Freiwild zu erklären und sie dann auch noch mit abgestandenen Stammtisch-Weisheiten zu belästigen. Fredl jedoch – nennen wir ihn ruhig mal so – nahm davon in seiner unermesslich-bayrischen Ignoranz natürlich keinerlei Notiz.

Für die Gindlalmen plante ich meinen Absprung; ich würde wohl Pause machen wollen. „Bist du wahnsinnig?“, blaffte Frau Komoot mich an. Und auch sie hatte Recht. Fredl nämlich traf sich dort mit einem Freund, der uns denn auch kurz darauf an der Kuhpforte in Empfang nahm. Kein Entrinnen! Kumpel Bernd nötigte uns zu einem Hirschkuss – a Schnappserl geht immer – (Anlass für eine weitere Fredl-Anzüglichkeit) und entpuppte sich dann als deutlich wohlerzogener und eloquenter. Der Prof. Dr. med. Dr. med. habil. Bernd S., seines Zeichens Gefäßchirurg und Buchautor, mit Villa am Tegernsee und großem Ego, SEHR großem Ego, wusste sich einigermaßen gepflegt zu unterhalten. Nach einer Pflicht-Saftschorle machte ich dennoch, dass ich fortkam.

Nach ein paar Fotos ging es in flottem Tempo bergab, so dass wir Schliersee am Schliersee gegen 15 Uhr erreichten. Da waren wir immerhin schon 5 Stunden und 19 Kilometer unterwegs.

Auf einer Bank am See – Schuhe aus, Füße hoch, Mannerschnitten raus – entspann sich folgender Dialog:

Schweinehund (S): Also, ich hätt dann wohl genug für heut, nöch! Und Silke offensichtlich auch!

Frau Komoot (FK): Nenenee! Es sind ja nur noch 11 Kilometer…

S: …nur noch???? … und nochmal fast 500 Höhenmeter – hoch und runter!!!

FK: Ja, aber das schafft Silke locker!

S: Naja, also wenn ich mir die Blase an ihrer linken Ferse so anschaue, ich weiß nicht. Und in 2 Stunden fährt doch dann auch ein Bus

FK: So weit kommt‘s noch, dass wir bei DEM Wetter den Bus nehmen! Das machen wir dann mal, wenn‘s regnet.

S: Das sagst du immer!

FK: Ja, genau! Ist ja auch so. Du kannst ja hierbleiben und in Markus Wasmeiers Freiluftmuseum Hausundhofhund werden…

S: Du bist gemein!

FK: Na, dann komm halt mit!

Und so war‘s dann auch! Mit Mannerschnitten im Bauch und Musik auf den Ohren sind wir irgendwie über diesen letzten Hügel (großer Hügel) gekommen. Aber zum Schluss war‘s schon sehrsehr mühsam. Füßchen schmerzen böse! Da hat‘s dann im schönen Fischbachau nur noch zu ein paar Fotos im Vorbeilaufen gereicht.

Hier in der alten Bergmühle ist alles Zucker! Der Mühlenfischbach plätschert unten vorm Fenster, die Fleischpflanzerl waren hervorragend an Gurken-Kartoffelsalat und die Sommerschorle mundete sommerlich-frisch. Schweinehund baldowert schon einen Plan aus, wie er mich hier evtl. noch einen Tag halten könnte.
Aber wir müssen doch weiter: Der Weg ist der Weg! Könnte ne Stammtisch-Weisheit sein…

Der Bembel für nette Bergmüllerin: „Naa, den Impfausweis wui ned sehn, des is mir zu privat.“ Ach so, so kann man‘s natürlich auch sehen!

Ein Kommentar zu “Stammtisch-Weisheiten

  1. Welche Freude, deinen Bericht zu lesen und die wunderschönen Fotos zu sehen. Da kriege ich solch große Berglust 🙂 Freue mich riesig auf dich. Und wünsche euch 3 eine gute Tour, möge sich Herr Schweinehund ruhig verhalten.
    Bis ganz bald, ein paar hundert Kilometer später…. Grüßle Sibylle

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