Kastillischer Barock

Ich schlief hervorragend in meinem durchgestylten Designer-Zimmerchen. Morgens war von meinen Vermietern nur ein gedämpftes Rumoren zu hören. Also schlich ich einmal alleine durch die Gemeinschafts-Hallen auf der Suche nach einem Kaffee. Küche sowie Wohn- und Essbereich waren jedoch so aalglatt durchgestylt und picobello geputzt und aufgeräumt, dass ich mich nicht traute, irgendetwas auch nur zu berühren. Da ging ich lieber vor die Tür, fiel dort direkt in den gelassen-geschäftigen madrilenischen Vormittagstrubel und trank in der Bar um die Ecke einen Cafe con leche. Von Freundin Cova – gebürtige Madrilenin – und dem süßen Leo mit vielen tollen Tipps für einen erfolgreichen Sightseeing-Tag ausgestattet stromerten wir danach los.
Meine Unterkunft liegt mitten im VIERTEL (wahlweise SCHANZE) von Madrid: Überall kleine Sträßchen, Plätzchen, hübsche Läden und Cafés. Frau Komoot schafft es doch immer wieder, uns in heimatlich anmutende Gefilde zu locken.

Da wir zentrumsnah wohnen, erreichten wir in kürzester Zeit das wunderschöne Hotel Vier Jahreszeiten, diverse andere im kastillischen Barock (oder so) erbaute Paläste und Repräsentationsbauten sowie die Puerta de Alcalá (die leider verhüllt war).

Darf man den Postkarten glauben, hatten wir damit auch schon ein paar der wesentlichen Sehenswürdigkeiten der Stadt abgehakt.

Im Parque de el Retiro (DEM madrider Stadtpark) tanzte der Bär und das im wahrsten Sinne des Wortes. Die Recherchen ergaben, dass die Madrilenen heute noch Winterferien hatten, und so tummelten sie sich zwischen überdimensionalen Plüschbären und Straßenmusikern, kreuzten in allerliebsten blauen Bötchen auf den Parkgewässern und konsumierten an den pittoresken Kiosken wahlweise Kaffee, Cerveza und Chips. Und wir mittendrin – es war herrlich!

Natürlich wäre Schweinehund auch liebend gerne Bötchen gefahren, die Schlange war jedoch sehr lange (und reserviert hatten wir auch nicht), und so gingen wir lieber zur Kunst.

Im Palacio de Velázquez mitten im Park gab’s Manolo Quejido, einen zeitgenössischen spanischen Künstler. Dieser findet auf seinen Bildern eine wunderbar klare Formsprache und, wie ich finde, eine extrem ästhetische Bildaufteilung. In vielen Bildern gibt es formale Anklänge an große Meisterwerke von Matisse und den anderen üblichen Verdächtigen. Ich hab mal spaßeshalber eine kleine Gegenüberstellung gemacht: links Manolo Quejido, rechts Matisse bzw. Picasso.

Im Kristallpalast gleich nebenan hatten zwei Künstlerinnen Nebel spuckende Spiegel aufgestellt, was man sich bei entsprechender Beleuchtung ziemlich sensationell vorstellt. Heute spuckte kein Spiegel auch nur irgendeinen Nebelschwaden aus – der Kristallpalast war trotzdem eine kleine Sensation. Wunderschön, wie sich das Sonnenlicht immer wieder neu durch die Glasfenster brach.

Einem Tipp von Cova folgend wanderten wir danach – es war schon später Nachmittag – Richtung Circulo de Bellas Artes, um von der dortigen Dachterrasse den Blick über Madrid zu genießen. Den fand ich jetzt ehrlich gesagt die 5 Euro nicht unbedingt wert… Cova, verzeih, sonst sind deine Tipps super!

Als ich nach einem Abendessen in einem der vielen kleinen skurrilen Restaurants (hervorragende Falafel-Pita und ein Cerveza) nach Hause kam, verfing ich mich in einem Plausch mit Mike, einem meiner beiden Vermieter: Deutscher Flugbegleiter bei der Lufthansa und aufgewachsen in unmittelbarer Nachbarschaft zu Aalen (meiner Heimatstadt). Die Welt ist klein.

Auch wenn von ihr nicht so viel die Rede ist. Frau Komoot tut brav ihren Dienst und dokumentiert minutiös: 15,3 Kilometer und 90 (!) Höhenmeter. Nicht schlecht für so‘n Stadtspaziergang!

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