Irgendein fieses kleines asturianisches Virus oder vielleicht auch die Auswirkungen von zu vielen fettigen Croquetas haben mich erwischt. Jedenfalls hänge ich seit zwei Tagen etwas in den Seilen. Da ist es gut, bei Cova zu sein und mich von ihr ein bisschen betüddeln zu lassen und nebenbei blogmäßig Geschehenes aufzuarbeiten.
Was letzten Freitag (17.03.) tagsüber geschah, lässt sich in meinem Gedächtnis gerade leider nicht wiederfinden – da kann‘s auch nicht so erwähnenswert gewesen sein. Jedenfalls arbeitete Cova bis 16 Uhr, und als sie wiederkam, schlug sie einen „kleinen Nachmittagsspaziergang“ vor – abends wollten wir zu einer Vernissage. Trotz aprilligem Wetter stimmte ich freudig zu, und so marschierten wir los Richtung Strand, der sich in Gijón quasi mitten in der Stadt befindet. Leider sind nur wenige der alten Strandpromenaden-Häuser erhalten (links), und der Rest sind vielstöckige Bauklötze in einem nichtssagenden modern style (rechts). Als Entschädigung empfing uns ein Regenbogen über dem Meer und wies uns den Weg Richtung Osten.




Der Weg entpuppte sich erstens als „Gijón art-walk“ (wir fragen uns ernsthaft, warum er – der Weg – in Kombination mit Chillidas „Lob des Horizonts“ (siehe letzter Blog-Eintrag) nicht genau so vermarktet in allen Reiseführern und Reiseblogs auftaucht – rätselhaft) und zweitens als deutlich länger, als Silke und Schweinehund sich einen „kleinen Nachmittagsspaziergang“ so vorstellen. Dazu muss man wissen: Cova macht gerne und regelmäßig ziemlich weite Spaziergänge in einem – sagen wir – doch recht zügigen Tempo. (Und ich ich bin offensichtlich nicht gut in Form – das muss an dieser Stelle auch mal gesagt werden.)
Der Weg begann also an der Strandpromenade und hielt im Folgenden mehrere sehr schöne Skulpturen bereit. Besonders das „Monumento a la Madre del Emigrante“ hat es mir angetan – schon schön, wie die Mutter aller Emigranten da am Gestade seht.



Der Weg schlängelte sich zunehmend hübsch immer oben auf der Klippe lang mit tollen Ausblicken nach rechts und links und geradeaus. Nach etwa vier Kilometern dämmerte mir, dass Cova (und Frau Komoot) und ich (und Schweinehund) möglicherweise leicht abweichende Vorstellungen von einem „kleinen Nachmittagsspaziergang“ haben, zumal das anvisierte Ziel noch in mittlerer Entfernung vor uns lag und die Zeit – wir hatten ja noch ein Date mit einem Künstler – schon recht fortgeschritten war. Wir einigten uns darauf, das anvisierte Ziel noch zu erwandern und uns dort eine Rückfahrgelegenheit zu organisieren. Am Ende waren es – so Frau Komoot – 7,5 Kilometer oneway (und die liebe gute Cova wollte HIN und ZURÜCK auf ihrem „kleinen Nachmittagsspaziergang“ – pfff…!)

Es ging auf dem Weg also weiter mit der Kunst bis zum erwähnten Ziel, einer in See stechenden Schiffsbug-Aussichtsplattfform.




Dort auf dem Parkplatz quatschte ich ein paar motorisierte Menschen an, die jedoch nicht nach Gijón fuhren. Kurzerhand bestellten wir ein Taxi, was auch nicht ganz störungsfrei verlief, aber am Ende landeten wir zu Hause und machten uns flink hübsch für die Kunst und den Künstler (und da ich ja klamottenmäßig sehr reduziert unterwegs bin, bediente ich mich in Covas Kleiderschrank – muchas gracias).


In der Galerie ging es klein-fein-übersichtlich zu und die ausgestellten Werke waren schnell inspiziert. Der Künstler erzählte Interessantes über sich und seine Gemälde, von Rembrandt und Turner beeinflusst, jaja sieht man, Sektchen und Häppchen gab‘s umsonst, wie fein, und dann hätten wir gerne noch weiter in den Kunstmarkt investiert und dieses hübsche Bild vom Meer gekauft, aber wir hatten die 17.600 Euro gerade nicht klein und so gingen wir unseres Weges, der uns direkt in die nächste Kneipe führte.

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Vorgestern (Samstag, 18.03.) war das Wetter wiederum aprilhaft schauerdurchzogen, und Cova schlug einen Ausflug ins Oscar-Niemeyer-Kulturzentrum im nahe gelegenen Avilés vor. Frau Komoot besah sich die Strecke dorthin und mutmaßte atemberaubende Ausblicke von Atlantikwellen-umtosten Klippen. Leider lagen die nicht an der Strecke, die der Bus genommen hätte, also buchten wir uns spontan ein Auto für zwei Tage und gondelten los, immer auf den klippennächsten Sträßchen.
Erster Stopp war Perlora, wo es eine von allen bösen Geistern verlassene Feriensiedlung aus Diktator-Franco-Zeiten gibt (ihr wisst schon, ein guter Kumpel vom Adolf).




Beim Anblick der verlassenen und verwilderten Häuschen (alle unterschiedlich) hatten Cova und ich schon wieder eine neue Vermarktungsidee für diese offenbar strukturschwache Region Asturiens: Häuschen renovieren und als Feriendomizile vermieten (denn Sommertourismus gibt es hier wohl durchaus). Eigentlich ein naheliegender Gedanke bei DER Lage (direkt neben einem sensationellen Sandstrand) und DEN Ausblicken (Klippen und Meer). Wenig nachvollziehbar, dass da nix draus gemacht wird, aber vielleicht liest ja ein potenter Investor diesen Blog und greift zu – smile!


Danach ging es weiter zum Cabo Peñas, dem nördlichsten Punkt Asturiens. Auf dem Kap steht ein gar nicht soo hübscher Leuchtturm, der aber brav seinen Dienst tut – bei Nebel auch gerne auf akustische Weise (siehe die ziemlich beeindruckende Nebelhorn-Säule) – und außerdem umgeben ist von grandioser Landschaft. Diese mutet ziemlich Wales-mäßig an, zumindest für mein Rosamunde-Pilcher-verseuchtes Hirn – wieder mal ein Bild zurechtgerückt! Das Panorama ist leider etwas verwackelt, weil nämlich auch ein ziemlich grandioser Wind da oben ging auf der Kap-Klippe.




Eigentlich hätte es auch Wale geben sollen und Delfine, zumindest laut Info-Tafel und Covas Aussage, doch so sehr sich die Meeresbiologin auch ins Zeug legte, sie konnte mit ihrem Fernglas kein Tierchen aufspüren; zu aufgewühlt das Meer an diesem Tag.


Nach einem kleinen Bierchen (ich verkneif mir den Kalauer mit Tierchen und Bierchen) in einer echt-asturianischen middle-of-nowhere-Bar und weiteren Fotostopps fuhren wir nach Avilés. Dort hat man vor einigen Jahren begonnen, der durch den Strukturwandel (früher viel Kohle-Bergbau) ins Abseits geratenen Region neues Leben einzuhauchen und den brasilianischen Stararchitekten Oscar Niemeyer mit dem Entwurf eines Kulturzentrums beauftragt. Und hier ist es:






Wir besahen uns zwei Ausstellungen – tolle Fotografien von Carlos Cánovas (Pflanzen und Umfelder) und gewohnt durchgeknallte Zeichnungen von Salvador Dalí, der sich posthum noch verbittet, seine Werke zu fotografieren.
Und hier mal wieder ein kleiner kultur-kulinarischer Einschub: Zwischendurch haben wir in einer typischen Kneipe typisch Asturianisches konsumiert, nämlich Bauernfrühstück (das natürlich auf Spanisch anders heißt) und Sidra (Apfelschaumwein), der auf sehr spezielle Weise vom Wirt himself ausgeschenkt wird (siehe Foto). Er hält ein Glas so tief wie möglich in einer Hand und gießt den Sidra aus einer Flasche mit erhobenem Arm ein. So entwickelt der Sidra sein Aroma. Die Sauerei, die dabei möglicherweise entsteht, wird wahlweise durch Sägemehl am Boden oder durch einen Spritzschutz gemindert. Um ehrlich zu sein: Ich fand ihn nicht so lecker, den säuerlich-bitteren asturianische Apfelwein. #nichtmeinding




