Gestern Morgen (Samstag, 25.03.) reichte es dann auch, nach drei Nächten in der Kapsel. Wobei Bilbaos Schlafkabinen an sich nicht das Anstrengende waren, sondern beispielsweise die Tatsache, dass man von seinem Gepäck getrennt übernachtet. Das nämlich schläft in Spinds, die sich in einem anderen Raum befinden, um die Geräuschkulisse in den Kapseln zu reduzieren. Guter Gedanke, aber man muss sich eben auch gut organisieren. Hostel-immanente Schwachpunkte wie schlecht regulierbare Wasserhähne, nur unzureichend verschließbare Toilettentüren und nicht funktionierende Steckdosen gab’s auch, jedoch: Womit ich auch immer ankam an der Rezeption, die SEHR freundliche Crew hat sich sofort darum gekümmert.
Also, auf nach Donostia. Wohin? Genau! Das ist der baskische Name für San Sebastián und wird hier allerorten auch verwendet – nur ich hatte noch nie vorher davon gehört. Die Fahrt mit José (die ich mir über Blablacars organisiert hatte) war fahrtechnisch einwandfrei, sprachlich aber mal wieder eine Herausforderung: Er kein Englisch, ich kein Spanisch. Dennoch haben wir uns via Google-Übersetzer wunderbar unterhalten. (Gottseidank sprach er kein baskisch, das hätte Herrn Google vermutlich an seine sprachlichen Grenzen gebracht…) Thematisch trafen wir uns bei unserer Liebe zur Natur und der Leidenschaft fürs Wandern. Sein Vater war Chef-Ranger des Nationalparks „Picos de Europa“, er selbst schon auf dem Mont Blanc, beim Matterhorn war das Wetter zu schlecht, auch auf dem Jakobsweg und nicht bis Santiago gekommen (wie ich), und das mit dem nicht mehr stattfindenden Regen ist schlimm für die Natur. Dies und noch viel mehr und gar nicht so schlecht für keine gemeinsame Sprache nicht.
In Donostia/San Sebastian stolperte ich vom Bahnhof, wo mich José absetzte, direkt in ein sehr hübsches Café. Bei Laissla (echte Empfehlung!) gab es endlich mal wieder Kaffee mit Haferdrink, frisch gepressten Orangensaft und Stullen zum Niederknien.
Beim Einchecken in der Pensión Easo (dankenswerterweise schon um 13:00 Uhr) wurde ich von der liebenswürdigen Pilar unmittelbar in die Grundlagen der Pinchos eingeweiht. Offenbar sind wir nun angekommen in der Mutterstadt dieser köstlichen kleinen Häppchen.


Danach spazierte ich direkt zur Strandpromenade, wo der San Sebastiánische Samstagsbär tanzte. Himmel, war in dieser Stadt gestern was los! Das ganze Baskenland und halb Frankreich hatten sich hier versammelt (die Grenze ist gleich da hinten…).





Ein Hauch Biarritz und französische Lebensart schwappen über das Meer ins Baskenland, was vermutlich auch an den vielen Platanen liegt, die hier noch unbelaubt rumstehen. Aber auch sonst ist alles ein wenig schnörkelig-feiner als zuletzt in Bilbao.
Am Strand fand das regionale Kinder-Fußballturnier statt, bei dem einer der abgesteckten Plätze komplett unter Wasser stand und das Spiel eher einer Wasserschlacht glich. Das hinderte die Eltern der spielenden Kinder nicht am lautstarken Support. Ein Gorilla stellte sich als Fotomotiv zur Verfügung, zwei Harfenistinnen zupften ihre Saiten und eine kleine Geigerin spielte „Tochter Zion“. Sogar die peruanische Panflötentruppe war da. Es war also zusammenfassend gesagt eine ziemliche Promenadenmischung dort, was mich zu der Überlegung veranlasst, ob dieses Wort wirklich von derlei Situationen herrührt?!



Am Ende der Promenade traf ich auf alte Bekannte aus der spanischen Weltliteratur: Don Quijote auf seinem klapprigen Pferd Rosinante und sein treuer Knappe Sancho Panza. Nicht dass ich die Namen jetzt spontan hätte abrufen können, aber wenn man sie liest, kommen sie einem dann doch bekannt vor. Und Cervantes Hauptwerk von 1605 gilt immerhin als erster moderner Roman. Könnte man mal lesen…

Immer anner Waterkant entlang ging es Richtung Castillo de la Mota, das recht eindrücklich auf einem kleinen Berg direkt am Meer liegt.



Auf halber Höhe stieß ich im mittelalterlichen Gemäuer auf eine kleine Bar, wo diverse Drinks ausgeschenkt wurden und grooviger Raggea lief. Das Volk chillte und ich chillte mit bei einem Bierchen und einer Portion Oliven.
Auf halb-halber Höhe griff mich Paolo auf und wollte mir eines seiner selbst geklöppelten Armbändchen verkaufen. Die, die er hatte, gefielen mir aber nicht, also gab ich ein schöneres in Auftrag, und wir kamen ins Gespräch. Wiederum auf „Spanglisch“ tauschten wir uns über Festivals in Deutschland und Spanien aus. Derweil knüpfte er mit flinken Fingern ein Bändchen nach meinen Vorstellungen. Fein! Danach stieg ich hoch zum Monumento, einer Christus-Statue, die sie inmitten der alten Festung aufgebaut haben. Ein bisschen befremdlich ist es schon, wenn der Christus zwischen lauter Kanonen und Festungsgemäuer steht.




Zurück auf Meereshöhe tauchten wir ein in den Trubel der Altstadt. Es war unfassbar, was in den engen Gassen und auf den Plätzen los war. Offensichtlich sind wir wirklich in der Pincho-Hochburg schlechthin gelandet – eine Pincho-Bar reiht sich an die andere. Alle vollbesetzt (drinnen und draußen), überall Wein und Bier, Musik und gute Laune, teilweise wurde getanzt und überall gelacht. Die Trubelei mischte sich mit der nun tief stehenden Sonne und einer durch einen kräftigen Wind Gischt- und Salz-geschwängerten Luft. Es war HERR-LICH!



Um nochmals ein bisschen Meerluft zu schnuppern, wanderte ich zum Abschluss des Tages noch zum zweiten Strand der Stadt. Manche Städte sind lagetechnisch einfach gesegneter als andere und wo das so ist, mischen sich schon mal Surfer und Angler unters Stadtvolk. Auch wenn das auf den Fotos nicht so gut rauskommt: Wind- und Wellengang sind ordentlich hier an der Biskaya. Nicht umsonst warnen diverse Schilder vor Monsterwellen und deren Folgen.






Nach den 10 Kilometern langsamen durch die Stadt-Schlenderns, die Frau Komoot abends auf der Uhr hatte, war ich ganz schön erschöpft. Denoch gelang mir im Abgang noch folgender wunderschöne Schnappschuss. #schattenspiel

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Spannenderweise hat sich diese Reise auch zu einem Kunst-Trip entwickelt, was ich alles andere als schlimm finde, was in der Form jedoch gar nicht geplant war. Nachdem mir das „Lob des Horizonts“ von Eduardo Chillida in Gijón so gut gefallen hat, war ich heute (Sonntag, 26.03.) – einer Empfehlung Covas folgend – mit dem Bus im Chillida-Leku-Museum. Es liegt ein paar Kilometer landeinwärts in Hernani und wurde seinerzeit vom baskischen Künstler himself gestaltet. Seiner Vision folgend wandelt man dort nun inmitten der Natur zwischen seinen Skulpturen umher. Kurz gesagt: Wir hatten es sehr fein dort bei schönstem Biskaya-Wetter und ländlicher Ruhe.









Auf dem Rückweg ließ der Bus auf sich warten, aber vielleicht war ich auch einfach nicht in der Lage, den Fahrplan korrekt zu interpretieren, so genau weiß ich das nicht. Jedenfalls kamen wir gerade recht für ein frühes Abendstullenessen bei Laissla und einen Abendplausch mit meiner Wirtin. #spanglisch