Rennsteighaus

Heute Morgen startete ich um halb zehn an der Schutzhütte Kleinteichswiese. Die Nacht war nicht so kalt wie befürchtet – die Schafskälte war wohl an den kleinen Teichwiesen vorüber gezogen.

Als Frau Komoot Schweinehund und mich auf den ersten Metern mit wehen Pfoten und Füßen dahinschleichen sah, verordnete sie uns kurzerhand heute eine deutlich kürzere Etappe: 20 Kilometer zur Schwarzaquelle.

Die ersten Kilometer bis Masserberg ging es wieder mal an der Straße entlang, was natürlich nur so mäßig pittoresk ist. Auch waldmäßig gab es teilweise wieder schlimme Ecken und die Holzstapel, die ich überall sehe, bestätigen das, was ich schon mehrfach gehört habe: Angeblich fällen die Waldbesitzer übermäßig GESUNDE Bäume, um das Holz zu Höchstpreisen zu verkaufen – aus lauter Angst, dass ihr Wald von Borkenkäfer, Trockenheit und Sturmschäden heimgesucht wird und sie dann mit nichts dastehen.

In Masserberg steht eines der Rennsteighäuser. Das sind Häuser, wo Wanderer und Radfahrer Duschen, Toiletten, Steckdosen und in diesem Fall sogar eine Fahrrad-Akku-Ladestation nutzen können. Dolle Einrichtung das!

Bisher waren die Rennsteighäuser immer zum falschen Zeitpunkt gekommen, aber dieses kam mir gerade recht. Ich lud Handy und Powerbank und fasste Wasser. Außerdem telefonierte ich mit dem sieben Kilometer entfernten „Gasthaus zum Rennsteig“ und Hurra! Heute geöffnet! Also nichts wie hin!

Wir passierten die Schutzhütte und Wegkreuzung „Eisfelder Ausspanne“ und lernten etwas dazu. Hier stolpert man ja ständig über irgendwelche Ausspannen und naiv wie ich bin, dachte ich, es hätte was mit ausspannen im Sinne von ausruhen zu tun. Aber nein! Aufgrund der teilweise steilen Anstiege im Thüringer Wald wurden früher schwere Fuhrwerke mit zusätzlichen Pferden ausgestattet. Und die Ausspannen waren die Orte, an denen diese Vorspann-Pferde vor der Abfahrt ins Tal wieder ausgespannt wurden. Aha!

Das Örtchen Friedrichshöhe ist angeblich das kleinste Deutschlands (17 Einwohner) und liegt inmitten einer zauberhaften Landschaft aus Wald und Wiesen. Da wir mittlerweile im Thüringer Schiefergebirge sind, sind alle Häuser aus hübschem schwarzem Schiefer gebaut. Gefühltes Herz des Örtchens ist das Gasthaus zum Rennsteig.

Dort teilte ich mir mit Schweinehund die Spezialität des Hauses, nämlich einen halben Meter Thüringer Bratwurst mit Kartoffelsalat. Sensationell! Frau Komoot steckten wir an die Steckdose.

Der Nachmittag plätscherte träge dahin dort im Halbschatten im „Gasthof zum Rennsteig“, der Wirt brachte mir ein ums andere Mal eine kühle Apfelschorle und plauderte, ich sei die einzige Rennsteig-Wanderin heute, und er wundere sich auch, wo die Leute seien. Früher, ja früher… Und so wunderten wir uns gemeinsam über ausbleibende Wanderer, geschlossene Gaststätten, versiegende Quellen und überhaupt den Lauf der Welt inmitten dieses wirklich WUN-DER-SCHÖ-NEN Thüringer Waldes.

In dieses Wundern platzte Georg (78) und sein Sugar-Babe (38) mit ihrem Mercedes Cabrio und es gab ein großes Hallo. Georg war früher der Kreditverantwortliche der örtlichen Bank und vergab Kredite offenbar nicht nach Sicherheiten, sondern nach Menschenkenntnis. Und dem Wirt hat er einen Kredit gegeben, damals vor 30 Jahren, wegen seiner Menschenkenntnis, Gastwirt durch und durch, ewige Dankbarkeit, und deswegen gibt es bis zum heutigen Tag den „Gasthof zum Rennsteig“. So ist das nämlich!

So viel Historie und Selbstbeweihräucherung musste ich erst mal verdauen und so machte ich mich nach drei Stunden Biergarten-Idylle wieder auf die Socken: Sieben Kilometer bis zur Schwarzaquelle.

Und nun liebe Kinder gebt fein Acht, ich hab euch etwas mitgebracht: Ist das nicht schön?

So war’s nämlich heute auch: Schön! – und das ist gut so. Salut!

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