Gut Runst!

Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich sich 30 Kilometer anfühlen können. Während ich gestern am Ende des Tages zu GAR nichts mehr in der Lage war (außer mir eine Portion Kässpätzle zu bestellen), lief es heute (und das bei Nieselregen) wieder wie geschmiert. Doch von vorn:

Montag, 05.06.2023:
Die Nacht war mies dort an der Schwarzaquelle, u.a. weil ich mein Zelt unglücklicherweise in leichter Hanglage aufgebaut hatte (schön blöd). Ich dachte, eine leichte Abschüssigkeit sei nicht wirklich relevant, musste jedoch das Gegenteil feststellen; ich kroch ziemlich in Schieflage (haha) ans Tageslicht.

Außerdem hatte ich ziemlich wehe Füße. Auch nach vielvielen Kilometern Wanderschaft hat sich mir noch nicht endgültig erschlossen, wann und wie Blasen entstehen. Nachdem meine Füßchen nun fünf Tage lang blasenlos dahinliefen, hatte ich nun diverse Blasen und Abschürfungen und startete den Tag mit einer Verpflasterungsaktion.

Da ich mir nach dieser Nacht wenigstens ein ordentliches Frühstück gönnen wollte, kam ich viel zu spät los, und da war die Witterung dann leider schon drückend schwül.

Es waren also alles in allem nicht die besten Voraussetzungen für die 35-Kilometer-Etappe, die Frau Komoot ausgeheckt hatte (auf dass wir am Dienstag in Blankenstein und am Ende des Rennsteigs wären).
Sie begann denn auch mühsam, so dass ich nach den ersten 6 Kilometern im Rennsteighaus in Neuhaus eine erste Pause einlegen und meine Blasen nochmals anders verpflastern musste. Schweinehund lag jammernd in der Ecke und wedelte mit Busfahrplänen. Es war schon nach zwölf, als Frau Komoot zum Wieder-Aufbruch pfiff, damit wir an diesem Tag überhaupt noch irgendwo hinkämen.

Auf den nächsten Kilometern gab es leider immer wieder apokalyptisch anmutende Waldpanoramen, was die Stimmung drückte und das Laufen in der drückend-schwülen Mittagssonne nicht erquicklicher machte.

Da war es ein Lichtblick, auf zwei entzückende ältere Paare zu treffen, die seit über dreißig Jahren immerimmer wieder den Rennsteig gehen und nicht müde werden, mittlerweile langsamer, mit vielen Pausen und kurzen Etappen, aber immer noch mit einer großen Liebe zum Thüringer Wald. Mir wären fast die Tränen gekommen, als wir da saßen und uns ein paar Kekse teilten, um uns herum das, was an dieser Stelle vom Thüringer Wald noch übrig war.

„Gut Runst!“ riefen sie zum Abschied, den traditionellen Rennsteig-Gruß, was soviel bedeutet wie „glückliche und erfolgreiche Rennsteigwanderung“. Hab ich, ihr Lieben, hab ich – trotz allem!

Nach 17 Kilometern in Spechtsbrunn waren wir schon ziemlich angefressen, und eigentlich lag die Hälfte der Etappe noch vor uns. Tapfer ging es weiter.

Drei Kilometer später markierte ein Zollhäuschen mit Wappen-Gedöns die thüringisch-bayerische Landesgrenze, dort, wo zu Zeiten der deutschen Teilung der Rennsteig unterbrochen war. Weil die Bayern zu dieser Zeit mit ihrem Stück Rennsteig nichts anzufangen wussten, haben sie einfach eine Landstraße draus gemacht. Da es heutzutage wenig erquicklichen ist, an dieser Landstraße entlang zu wandern, wurde ein alternativer Parallelweg angelegt, der (wie auch sonst) mit einem blau-weißen R markiert ist.

Der Weg an sich war entzückend pfadig, führte durch herrliche Natur und vorbei an liebevoll gepflegten Rastplätzen, an denen wir jedoch aus Wassermangel nicht bleiben konnten.

Um Viertel vor 6 waren es immer noch elfeinhalb Kilometer und dunkle Wolken am Horizont gaben dumpfes Donnergrollen von sich. Alles in allem machte mir die Situation etwas Sorgen. Auch mit guten Füßen und einem schnellen Tempo würde ich mindestens noch zwei Stunden brauchen bis zur anvisierten Schutzhütte. Und Wasser auftreiben müsste ich auch noch. Schweinehund zeterte fürchterlich und verlangte auf der Stelle, hier jetzt bei Kilometer 26 Telefonate bezüglich eines Hotelzimmers zu führen. Frau Komoot warf vorsichtig ein, dass wir dann aber nicht mehr auf der Originalroute, und wir wollten doch schließlich im Zelt … (Schweinehund: Also ICH wollte NIE im Zelt schlafen!), aber ein Blick von uns und sie verstummte.

Damit sich dieser Blogeintrag nicht ähnlich hinzieht wie die Etappe selbst, mache ich es kurz: Wir übernachteten in einer kleinen, sehr spartanischen Pension in Windheim, wo es ein trockenes Bett (draußen Regen) und Kässpätzle gab. Und die hatten wir uns nach fast 30 Kilometern auch verdient. Punktum.

Dienstag, 06.06.2023:
Heute auf der letzten Rennsteigetappe lief es wieder viel besser, dabei hatte Frau Komoot am Ende des Tages erneut 33 Kilometer auf der Uhr.

Zum Abschluss hatte der Thüringer Wettergott beschlossen, mir auch noch ein wenig windigen Dauerregen mitzugeben, auf dass in meiner Erinnerung nicht nur eitel Sonnenschein wäre. Es regnete fast die gesamte Etappe. Da es nicht kalt war, störte mich das Wetter nicht, auch weil ich weiß, wie wichtig der Regen für den Wald ist.

Bei Kilometer 10 kam ich an der Schutzhütte Jagdhaus vorbei (gestern anvisiertes Ziel; hätte ich im Leben nicht geschafft!) und kurz danach – ich war wieder in Thüringen – gab es mit Brennersgrün ein hübsches Schieferdörfchen mit einem entzückenden Rennsteighaus.

Wenn ich meine Tour etwas umsichtiger geplant hätte, hätte ich garantiert hier übernachtet, denn es ist das einzige Rennsteighaus, in dem auch übernachtet werden kann.

Bei Kilometer 15 hätte es die Möglichkeit gegeben, mich zur Wander-Königin krönen zu lassen, aber mittlerweile regnete es in Strömen, und die Krönung musste auf später verschoben werden.

Die wenigen Menschen, die mir begegneten, waren wie ich in Regenmontur unterwegs und nicht zum Plaudern aufgelegt. Also legte ich mir ein Hörbuch auf die Ohren, marschierte durch die zunehmend im Nebel versinkende Landschaft und genoss die frische Luft und die satten Grüntöne.

Die Wege waren einer Rausschmeißer-Etappe würdig und führten gegen Ende direkt an der Landstraße entlang (Augen verdreh…). Die Ankunft im verlassen wirkenden Blankenstein (niemand auf der Straße) war höchst unspektakulär und wolkenverhangen. Da kann man nur hoffen, dass sich die Nebel im Laufe meines morgigen Ruhetages lichten und den Blick freigeben auf neue Abenteuer.

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