Uncharmant

Ich hatte gedacht, der Tiefpunkt der Hotellerie sei in Linderhofe erreicht gewesen. Dies war jedoch mitnichten der Fall. Die vergangene Übernachtung hat alles getopt: Das Hotel Gunsetal in Bad Berleburg.
Beim Ankommen gestern Abend fand ich diesen in die Jahre gekommenen Hotelkasten zwischen zwei Einfallstraßen ziemlich verwaist vor. Zwar war eine Tür offen, aber als ich das Innere betrat, war alles gespenstisch still, niemand zu sehen und alle Türen zu. Also wieder raus, Hotel umrunden, kein anderer Eingang, deshalb zur selben Tür wieder rein. Das gleiche Bild. Erst als ich die Treppe hochsteigen wollte, die ich hinter einer Ecke fand, schoss „Frau Gunsetal“ aus ihrem Privat-Kabäuschen und raunzte mich an, warum ich denn nicht klingeln würde. (Nicht mal Sherlock Holmes hätte hinter dem Knopf, auf den sie deutete, eine Klingel vermutet, geschweige denn sich getraut, sie zu benutzen. Nun gut.)
„Hier, ihr Schlüssel, immer den Schildern nach, wir sehen uns morgen früh!“ RUMMS, die Tür zu den Privatgemächern fiel wieder zu.
Also irrte ich durch dieses riesige Haus mit verwinkelten Treppenhäusern, endlosen Fluren und unzähligen verstaubten Sitznischen mit noch verstaubteren Kunstblumengestecken. Das Zimmer, ein 70er-Jahre-Graus in braun-grün-beige, verrutschte Teppichfliesen, verkalkte Wasserhähne und der Gipfel: ein Rauchmelder, der nachts in unregelmäßigen Abständen Fiep-Geräusche von sich gab (kenne ich schon, hatte ich schon früher in meinem Leben, braucht ne neue Batterie, der Gute … nur, nachts um 4 Uhr Frau Gunsetal aus dem Bett klingeln? Nie im Leben!)
Zum Frühstück um 9 Uhr empfing diese mich im sonst völlig unbevölkerten Frühstücksraum mit den Worten: „Ich habe dann für SIE noch DORT eingedeckt“, so als wäre zwei Stunden vorher der Frühstücksraum rappelvoll gewesen und überhaupt sei es ja jetzt wohl schon ein wenig spät für ein Frühstück und sie hätte ja nicht den ganzen Tag Zeit.
Um es kurz zu sagen: Meine Übernachtung in diesem Hotel war ganz offensichtlich eine absolute Zumutung für diese Frau. Es ist mir ein Rätsel, wann die Blütezeit dieses Hotel-Mausoleums gewesen sein soll. Eins ist sicher: In diesem Jahrtausend nicht! Immerhin: Vier Bundeskegelbahnen und doch eine beachtliche Anzahl Kegel-Pokale in der Vitrine!

Um Frau Gunsetal dann auch nicht über Gebühr die Zeit zu stehlen, machte ich mich zügig vom Acker Richtung Bad Laasphe – 23 Kilometer.

Frau Komoot ist manchmal etwas geistesabwesend und deswegen fiel ihr viel zu spät auf, dass wir gleich hinter Bad Berleburg auf Abwege geraten waren. Und eh ich mich versah, fand ich mich in einem Schiefersteinbruch wieder, weil der sich nämlich schon deutlich mehr ins Land gefressen hatte, als Frau Komoot das so auf dem Zettel hatte. Mir wurde relativ schnell klar, dass ich DA eigentlich nichts zu suchen hatte und machte, dass ich weiterkam.

Der Rest der Etappe zeigte sich extrem uncharmant. Bis auf ein, zwei nette Ausblicke die gewohnt verschlammten Forstwege durch vom Sturm gebeutelten Wald sowie mausgrauer Himmel und garniekeine Pausenmöglichkeit. Bad Laasphe ist jetzt in DEM Sinne auch kein Highlight, und so können wir diese Etappe aus dem E1-Kalender streichen – ich glaube, die wäre auch bei schönerem Wetter nicht deutlich erquicklicher gewesen.

Das einzig Nette am Wegesrand waren Schnitzereien des Stünzelner Holz-Schnitz-Vereins: Stünzel – das Herz Wittgensteins – in Holz gebannt, dazu ein Bär und ein paar Waldpilze. Übrigens: Das nächste Stünzel-Fest mit Kreistierschau findet am 13. Juni 2020 ab 7 Uhr (!!) auf dem Festplatz statt.

Es war ein Bembel-loser Tag.

3 Kommentare zu „Uncharmant

  1. Oh jeh! Ein Bembel-loser Tag!
    Noch nicht einmal der örtliche Holzschnitz-Verein hat einen verdient?
    Ich hoffe, du hast den Bembel nicht beim letzten Ballast-Abwerfen mit nach Hause geschickt …

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    1. Nein, nicht den Bembel! Der schlummert nach wie vor in meinem Rucksack-Deckel. Abgeworfen wurden zum Beispiel die Regenhose (hoffentlich holt mich das nicht eines Tages ein…) und die überflüssigen Shirts.

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  2. Ohje, „,Gunsetal“, das war vor 20 Jahren schon indiskutabel ! Da hätte Dich „Frau Kommod“ besser im „Fliegenden Klassenzimmer“ mit Blick zum Schlosspark untergebracht, schade….. LG Karin

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