Wallfahrtshimmel

Der Sommer ist da! Natürlich für die Ureinwohner hier eine lächerliche Behauptung, aber für jemand, dessen Wohlfühltemperatur bei 24 Grad liegt (bei Sonne und leichter Prise), genau richtig. Alles andere wäre schon wieder zu viel gewesen. Und bei diesem Wetterchen sollte die sagenumwobene Camargue erkundet werden.
Die Dame in der Tourist-Info lächelte nachsichtig, als ich vorschlug, ich könnte doch eine Rundwanderung machen und mir dabei alles Sehenswerte (Rhone-Delta, Meer, Binnengewässer, Salinen, weiße Camargue-Pferdchen, Flamingos) ansehen. Ja, eine Rundwanderung, das sei wohl möglich, aber ob ich denn wisse, wie groß die Camargue sei. Zugegeben, ich wusste es nicht so genau, nicht im Detail, also eigentlich gar nicht.
Zu Fuß habe ich es von meinem Startpunkt aus dann gerade mal geschafft, die Grenze des eigentlichen Nationalparks zu erreichen – und Frau Komoot dokumentierte trotzdem insgesamt 16 Kilometer.

Wegen des Winters (!) ist der Busfahrplan sehr ausgedünnt, und so fuhr ich erst gegen 12 Uhr mit dem Bus nach Saintes-Maries de la Mer. Die Alternative wäre 7.50 Uhr gewesen, aber das fand Schweinehund indiskutabel. Für nen Euro (EINEN Euro!) ging es von Arles aus 30 Kilometer Richtung Süden durchs flache Camargue-Land. Das wiederum sieht nicht wesentlich anders aus, als das Bremer Umland, von Kanälen und Wässerchen durchzogene Felder und Wiesen, Weiden und anderes Gesträuch und eben insgesamt sehr platt. Aber dann: Saintes-Maries de la Mer – WAS für ein Name!
„Dieser Ort in der Landschaft Camargue“, so lesen wir bei Freundin Wiki, „ist ein alter Wallfahrtsort, der heute stark durch den Tourismus geprägt wird.“ DAS kann man wohl sagen! Mal abgesehen von dem wirklich sehr schönen alten Kirchlein ist hier ALLES touristisch geprägt. Allerdings erwacht der Ort gerade erst aus dem Winterschlaf, so dass die meisten Hotels und Läden noch geschlossen, viele Terrassen noch leer waren. Die Menschen fegten maximal ein bisschen vor ihrem Haus herum und ließen ansonsten den lieben Wallfahrtsgott einen guten Mann sein.

Ich hielt mich nicht lange auf und wanderte mit Frau Komoots Unterstützung in die Richtung, wo wir die Flamingos vermuteten. Zunächst stolperten wir dabei über ein paar hilfreiche Vorschläge zur Gestaltung Flamingo-freundlicher Ausflüge. Besonders eindrücklich (unten links): Der Ober-Flamingo-Aufseher, der es GAR nicht gerne sieht, wenn man die hübschen Camargue-Blümchen pflückt, auch nicht, wenn sie für die liebe Omi sind, denn dann hackt er dir mit seinem Hacke-Schnabel mindestens den kleinen Finger ab.
Die Deutung des Sanduhrenbildes (oben rechts) ist mir auch nach längerem Nachdenken nicht gelungen. Interpretations-Vorschläge werden gerne genommen!

Diese durch das Rhone-Delta entstanden Landschaft zwischen Meer, Fluss und Land ist schon besonders. Und so wanderte ich dahin, mal wieder (ich habe sie schon vermisst) auf schnurgeraden Wegen aufm Deich, dann aber auch auf Schlängelpfaden durch Sumpflandschaft oder entlang der Wasserkante am Strand. Es war herrlich!

Jaja, jetzt kommen sie: die Flamingos!
Jedoch sind das ja nun wilde Tiere (die außerdem noch fliegen können), die einer dahergelaufenen deutschen Touristin natürlich nicht den Gefallen tun, in angenehmer Beobachtungs- und Fotografier-Distanz durchs Gewässer zu staksen, nein sie tun dies in sicherer Entfernung und sehen dabei trotzdem noch so wunderschön aus!

Weiße Camargue-Pferdchen gab‘s auch – ein trauriges Kapitel. Wilde Herden wohl schon lange nicht mehr. Trotzdem sah ich sie in Horden stehen, vom Bus aus, direkt an der Straße, zu vielen eingepfercht, die meisten extrem abgemagert, wartend auf einen weiteren Sommer, in dem sie Tag für Tag gut zahlende Touristen durch die Camargue-Landschaft tragen werden. Schweinehund war den Tränen nahe – schade, dass Pferde nicht fliegen können!

Dummerweise hatte ich mich zwar nach Hinfahrzeiten erkundigt, nicht aber nach Zeiten für die Rückfahrt. Blöder Fehler! Als ich zurück in Saintes-Maries war, entnahm ich dem Fahrplan, dass ich eineinhalb Stunden auf den nächsten (und letzten) Bus um 19.25 Uhr warten musste. Och nööö… Da saß ich nun, die Sonne ging unter, es wurde kühl, die Straßen menschenleer. Und dann bog da doch tatsächlich ein Bus um die Ecke, der auf mein Winken hin anhielt. Ob der nun für mich zuständig war oder nicht, ließ sich nicht abschließend klären, ist mir auch egal, der Busfahrer fragte, wo ich hinwollte und fuhr mich nach Arles. Voila!

Zum Abschluss noch eine kleine Übersicht über die heutige Reisekasse:
– ein lächerlich kleines Stückchen Käse auf dem Markt: 13 Euro (DER hat mich beschissen)
– eine große Tüte Tomaten ebenda: 58 Cent (DER konnte nicht wiegen oder nicht rechnen oder beides – und er rief mir nach: Ich liebe dich! – Na dann…)
– Spende für bettelnde Kinder: 10 Euro (ich konnte nicht anders)
– Bus ans Meer und zurück: 2 Euro (ich komm nicht drüber weg)
– Flamingos in verschiedenen Größen: 8 bis 24 Euro (ja, natürlich bekommt jeder einen…)

Der Bembel geht natürlich an den vom Wallfahrtshimmel geschickten Bus inklusive -fahrer, der mich zwar ziemlich rasant (und einhändig, weil mit der anderen Hand telefonierend) aber heil zurück nach Arles kutschierte.

Ein Kommentar zu “Wallfahrtshimmel

  1. Ich glaube die Sanduhr bedeutet: Campen am Strand ruiniert zuverlässig und unaufhaltsam denselben früher oder später.
    Nett ja auch der handgeschriebene Zusatz zum ersten Bild, welches dazu auffordert, keinen Müll zu hinterlassen: Dann stellt halt Mülleimer auf!

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