Lob des Horizonts

Der erste Tag in Gijon begann mit ausgiebigem Ausschlafen. Es war dann doch recht spät geworden gestern Nacht, weil der Zug zwar bis Leon recht flott unterwegs war, dann aber noch drei Stunden mit 60 kmh durch die nordspanischen Berge rumpelte, während der Wind um die Wagons pfiff. Da war ich froh, dass ich heute nicht wie die arme Cova um 6:30 Uhr aufstehen musste.

Dann gab‘s erst mal Frühstück im Cafe Arrieta – und weil die Gijonesen nette Menschen sind und vielleicht auch, weil sie noch nie eine Touristin gesehen haben (nur Einheimische um mich her), gab‘s die Churros heute gratis zum Frühstück dazu. Fünf Sterne, Frau Arrieta!


Kurzer Einschub zur Erweiterung spanischen Kulturwissens: Churros sind ein frittiertes, längliches Gebäck, das hier zu allen Tages-und Nachtzeiten konsumiert wird, vorzugsweise in Schokolade getunkt oder mit Zucker bestreut, aber KEINESFALLS, so Cova, als Nachtisch. Die Qualität variiert doch sehr, wahrscheinlich entgegengesetzt zur Touristendichte, wer weiß?!

Danach hatte Frau Komoot – auch die war auf einmal wieder da – einen kleinen Erkundungsgang vorgeschlagen. Bei 14° und bedecktem Himmel hatten wir dafür mal wieder den Anorak aus dem Rucksack gezogen. Es war ein wenig frío!

Wir schlenderten Richtung Hafen und dort zur historisch anmutenden Plazuela del Marqués mit ihrem Brunnen und der Statue von Rex Pelagius, über den sich nichts Wesentliches herausfinden ließ, außer dass er für die Rückeroberung des Landes aus der Hand der Araber mitverantwortlich war.

Ein paar verrückte spanische Jugendliche sprangen dort spontan in den Brunnen und setzten bei der Gelegenheit auch gleich ihre Klamotten unter Wasser. Sehr clever! Nebendran hatten sie einen Baum aus grünen Sidreflaschen aufgebaut. Die Beschriftung war zwar zweisprachig, jedoch nicht englisch, wie man vermuten könnte, sondern zusätzlich Asturiano. Wir sind ja hier mal wieder in einer autonomen Region, wo es immer und überall zweisprachig zugeht.

Vorbei am noch leeren Gästehafen spazierte ich der Mole entlang, auf der eifrig geangelt wurde, und besah mir das Stadtbild.

Alles ist rauer als im Süden und von leicht morbid-abgeranztem Alltags-Charme. Mir kam der Gedanke, dass das, was Arno Geiger in seinem neuen Buch „Das glückliche Geheimnis“ (absolut empfehlenswert für alle, die gerne lesen undoder schreiben) über Literatur schreibt, in gewisser Weise genauso für Reiseeindrücke gilt: „Das Alltägliche und Beiläufige zeigt uns tendenziell eher so, wie wir sind, nicht so, wie wir gerne wären.“ Erst das Alltägliche bildet das wahre Leben ab. Aber vielleicht suchen viele Reisende eben gerade NICHT das wahre Leben, weil sie das zur Genüge zu Hause haben, sondern Bilder dessen, was sie sich erträumen. Dachte ich so.

Ich schlenderte weiter zur Hauptattraktion der Stadt, einer Skulptur von Eduardo Chillida mit dem wunderbaren Namen „Elogio del Horizonte“, zu deutsch „Lob des Horizonts“.

Dort war’s recht kontemplativ (schöne Grüße an Jacques), so dass ich plötzlich von großer Dankbarkeit erfüllt wurde ob meiner derzeitigen Freiheiten und Möglichkeiten.
Auf dem Rückweg waberte urplötzlich Nebel vom Meer herauf, so dass ich nochmals umdrehte, um auch dieses Schauspiel fotografisch festzuhalten. Schwuppdiwupp, weg war er, der Horizont, da kann man ihn noch so loben.

Und da es dann eben neblig war und ganz schön chilly – wie der Engländer sagt – machte ich, dass ich nach Hause kam zu Cova in der Calle Asturia, wie passend.

Abends machten wir einen Gang „durch die Gemeinde“, soll heißen: tranken hier ein Rotweinchen und aßen dort ein paar Croquetas.

Es gibt sie (die Croquetas) hier in Spanien in vielen verschiedenen Geschmacksrichtungen, in diesem Falle waren sie mit Tintenfisch (und nicht Mohn, wie der visuelle Eindruck vermuten lässt) und äußerst lecker im Restaurante La Galana am Plaza Mayor. Schon gut, wenn man auf das Kneipenwissen der Einheimischen zurückgreifen kann. #insiderwissen

2 Kommentare zu „Lob des Horizonts

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